Latein Wörterbuch - Forum
Inschrift auf einem Bild des 16. Jhdts. — 1004 Aufrufe
filix am 11.2.17 um 16:50 Uhr, überarbeitet am 11.2.17 um 16:52 Uhr (Zitieren)
Liebe Foristen,

ich brauche Unterstützung bei der Transkription einer Inschrift auf einem Bild des frühen 16. Jhdts. Obschon ich eine eigene Vorstellung davon habe, was da zu lesen steht, möchte ich nicht beeinflussend vorgreifen und liefere deshalb keine Vorgabe.

Das Anschauungsmaterial liegt hier:

http://www.tiikoni.com/tis/view/?id=66e7c3a

(Die verlinkte Abbildung ist eine Collage zweier Photographien
aus unterschiedlichen Aufnahmewinkeln)

Merci par avance.
Re: Inschrift auf einem Bild des 16. Jhdts.
Elisabeth am 12.2.17 um 7:56 Uhr (Zitieren)
Hupsa!

Der Anfang geht ja noch: Ich lese
Leo mitis trepidat.

Aber dann? Geht das vielleicht ins Griechische?
ΧΡΕ = Χριστέ?

Wenn man dann daran denkt, dass das nächste vielleicht ΕΛΕΙΣΟΝ heißen soll, fällt doch das völlige Fehlen der beiden ersten Buchstaben übel auf (das I statt H ließe sich ja noch verzeihen). Der Rest fügt sich leider weder zu ΗΜΩΝ noch zu ΗΜΕΡΑΣ.

Geht die Inschrift nicht rechts noch weiter? Besser: Gibt’s ein Foto davon, wie es rechts weitergeht?


Re: Inschrift auf einem Bild des 16. Jhdts.
Kuli am 12.2.17 um 10:02 Uhr, überarbeitet am 12.2.17 um 10:03 Uhr (Zitieren)
Ich denke, dass, abgesehen vom Christusmonogramm, kein Wechsel in die griechische Schrift vorliegt, wie das S in „eleison“ zeigt. (Ich meine auch, dass dort, den modernen Transkriptionsregeln zum Trotz, „e[l]eyson“ steht.) HM kann also z. B. eine Abbreviatur für Hierusalem o. a. sein. Wenn man davon ausgeht, dass „Leo mitis trepidat“ einem ma. Stundengebet an St. Veit entnommen ist*, dann ist das „Christe eleison“ und das Übrige wohl nur lose damit verbunden.

* https://archive.org/stream/analectahymnicam05drev#page/256/mode/1up
Re: Inschrift auf einem Bild des 16. Jhdts.
Elisabeth am 12.2.17 um 10:12 Uhr (Zitieren)
Auf das runde S würde ich nicht allzuviel geben; immerhin ist auch das N falsch rum geschrieben.

Aber nachdem ich nun diese Hymne gelesen habe, kommt mir der Gedanke, dass das HM vielleicht „humana mens“ heißen soll, was dort in der nächsten Zeile vorkommt.
Re: Inschrift auf einem Bild des 16. Jhdts.
Elisabeth am 13.2.17 um 10:12 Uhr (Zitieren)
Hallo? Filix?
War das nicht eines der Sonntagsrätsel, für die es dann irgendwann die Lösung gibt?
Re: Inschrift auf einem Bild des 16. Jhdts.
Kuli am 14.2.17 um 12:00 Uhr, überarbeitet am 14.2.17 um 13:48 Uhr (Zitieren)
Zitat von Elisabeth am 12.2.17, 10:12Auf das runde S würde ich nicht allzuviel geben; immerhin ist auch das N falsch rum geschrieben.

Aber nachdem ich nun diese Hymne gelesen habe, kommt mir der Gedanke, dass das HM vielleicht „humana mens“ heißen soll, was dort in der nächsten Zeile vorkommt.

Allerdings müsste bei griechischer Schreibung überdies ein η nach dem zweiten ε stehen. Erst in lateinischer Transkription wird aus dem (itazistisch artikulierten) η ein i bzw. y. Da die Kyrie-/Christe-eleison-Litanei fester Bestandteil der römischen Messe war, spricht, denke ich, auch wenig dagegen, hier eine Schreibung mit lateinischen Buchstaben anzunehmen. Dass die Zeichenfolge XPELEYSON nicht unüblich war, mag etwa ein englisches Stundenbuch aus dem 14. Jh. zeigen:
http://www.kb.dk/permalink/2006/manus/76/eng/38+verso/?var=1

Das eigentliche Problem aber stellt ja die daran anschließende Buchstabenfolge dar. Ein wildes Durcheinander von Teilen des St.-Vitus-Offiziums mit dem Kyrie und anderem halte ich für unwahrscheinlich. Wenn es sich um Abkürzungen handelt, sollte dem Zielpublikum des Bildes deren Sinn bekannt gewesen sein. Denkbar wäre, dass hier eine durch die Liturgie geregelte Gebetfolge nachvollziehbar gewesen ist. Leider kenne ich mich darin überhaupt nicht aus (zumal wir uns mit der Inschrift im frühen 16. Jh. befinden) und kann auch nur ins Blaue hinein Vermutungen anstellen. (HMP: Have Maria plena [gratia] ...? OPVM: O pia virgo Maria [aus dem Salve Regina]?)
Re: Inschrift auf einem Bild des 16. Jhdts.
filix am 16.2.17 um 1:25 Uhr, überarbeitet am 16.2.17 um 12:39 Uhr (Zitieren)
Vielen Dank für die Überlegungen - um ein Rätsel handelt es sich, jedoch keines, dessen Lösung ich derzeit bieten könnte.

Auf den Hymnus über Vitus martyr bin ich auch gestoßen, betrachte ihn aber gleichfalls als für die Deutung irrelevant - nicht nur der zeitlichen Distanz, der offensichtlich geringen Verbreitung, sondern vor allem der Tatsache wegen, dass er sich kaum mit der Darstellung in Einklang bringen lässt.

Das fragliche Bild zeigt nämlich die Madonna mit dem Kind und dem Johannesknaben, kein besonders exotisches Sujet der christlichen Kunst - über der Gottesmutter hängen u.a. Trauben, zweifelsohne ein Symbol der ihrem Sohn bevorstehenden Passion, ein Vorverweis, der in dieser Bildtradition eine wichtige Rolle spielt.

Der Text, dessen Anfang ich vorgelegt habe, läuft von links nach rechts den Mantelsaum entlang. Eines der Probleme besteht darin, dass der Mittelteil, der auf diesen Abschnitt folgt, schon im Gemälde selbst nahezu unleserlich ist. Hier hoffe ich noch auf besseres Bildmaterial. Am Ende sieht man jedenfalls: http://www.tiikoni.com/tis/view/?id=ae618db

Es wirkt, als gehöre ROMANORUM (das M ist verblasst) noch zum Mittelteil. Das Rautensymbol trennte demnach den folgenden Text ab, in dem mir vor allem VRX unklar ist.

Doch zunächst noch einmal zum Anfang. Unstrittig scheint mir LεO MITIS TRεPIDAT, bei ΧΡε εΙSON gehe ich wie Kuli davon aus, dass es sich um eine Verbindung des Christusmonogramms mit einer verkürzten lat. Umschrift handelt (wahrscheinlich nach mittelalterlicher Gepflogenheit) - ein dem gebrachten ähnliches Beispiel eines Textes aus dem 13. Jhdt. noch im Druck um 1525: https://tinyurl.com/z6mx93t

Ich vermute überdies, dass der LεO MITIS der symbolische Ausdruck der Doppelnatur Christi zwischen Löwe als Herrscher und Lamm als Opfer ist - in den Predigten des Augustinus heißt es: „Nonne agnus Christus? Nonne et leo Christus? Inter feras et pecora, qui agnus agnus, qui leo leo: utrumque Christus“,„Quis est iste agnus et leo? Mitis et fortis, amabilis et terribilis, innocens et potens, tacens iudicatus, fremens iudicaturus“, später bei Joachim von Fiore u.a. „Est autem Christus dictus leo et agnus; agnus propter innocentiam, leo propter fortitudinem virtutum“ & c.

TREPIDAT könnte sich auf die in Mk 14, 32-36 geschilderte Furcht vor den kommenden Ereignissen beziehen, die Jesus in Gethsemane erfasst.

Um, die Anregung von HM = HIERUSALEM (indeklinabel) aufgreifend, ein wenig spekulativ zu werden, könnte man in POPVM POP(UL)UM, eine geläufige Abbreviatur, in CAMAE? (wobei von der Schreibung gr. ε für lat. E abgewichen würde) eine Entstellung oder Variante von CANAE lesen? Sind Erstere folglich Akkusative zu ΧΡε εΙSON?
 
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Vielen Dank für die Überlegungen - um ein Rätsel handelt es sich, jedoch keines, dessen Lösung ich derzeit bieten könnte.

Auf den Hymnus über Vitus martyr bin ich auch gestoßen, betrachte ihn aber gleichfalls als für die Deutung irrelevant - nicht nur der zeitlichen Distanz, der offensichtlich geringen Verbreitung, sondern vor allem der Tatsache wegen, dass er sich kaum mit der Darstellung in Einklang bringen lässt.

Das fragliche Bild zeigt nämlich die Madonna mit dem Kind und dem Johannesknaben, kein besonders exotisches Sujet der christlichen Kunst - über der Gottesmutter hängen u.a. Trauben, zweifelsohne ein Symbol der ihrem Sohn bevorstehenden Passion, ein Vorverweis, der in dieser Bildtradition eine wichtige Rolle spielt.

Der Text, dessen Anfang ich vorgelegt habe, läuft von links nach rechts den Mantelsaum entlang. Eines der Probleme besteht darin, dass der Mittelteil, der auf diesen Abschnitt folgt, schon im Gemälde selbst nahezu unleserlich ist. Hier hoffe ich noch auf besseres Bildmaterial. Am Ende sieht man jedenfalls: http://www.tiikoni.com/tis/view/?id=ae618db

Es wirkt, als gehöre ROMANORUM (das M ist verblasst) noch zum Mittelteil. Das Rautensymbol trennte demnach den folgenden Text ab, in dem mir vor allem VRX unklar ist.

Doch zunächst noch einmal zum Anfang. Unstrittig scheint mir LεO MITIS TRεPIDAT, bei ΧΡε εΙSON gehe ich wie Kuli davon aus, dass es sich um eine Verbindung des Christusmonogramms mit einer verkürzten lat. Umschrift handelt (wahrscheinlich nach mittelalterlicher Gepflogenheit) - ein dem gebrachten ähnliches Beispiel eines Textes aus dem 13. Jhdt. noch im Druck um 1525: https://tinyurl.com/z6mx93t

Ich vermute überdies, dass der LεO MITIS der symbolische Ausdruck der Doppelnatur Christi zwischen Löwe als Herrscher und Lamm als Opfer ist - in den Predigten des Augustinus heißt es: „Nonne agnus Christus? Nonne et leo Christus? Inter feras et pecora, qui agnus agnus, qui leo leo: utrumque Christus“,„Quis est iste agnus et leo? Mitis et fortis, amabilis et terribilis, innocens et potens, tacens iudicatus, fremens iudicaturus“, später bei Joachim von Fiore u.a. „Est autem Christus dictus leo et agnus; agnus propter innocentiam, leo propter fortitudinem virtutum“ & c.

TREPIDAT könnte sich auf die in Mk 14, 32-36 geschilderte Furcht vor den kommenden Ereignissen beziehen, die Jesus in Gethsemane erfasst.

Um, die Anregung von HM = HIERUSALEM (indeklinabel) aufgreifend, ein wenig spekulativ zu werden, könnte man in POPVM POP(UL)UM, eine geläufige Abbreviatur, in CAMAE? (wobei von der Schreibung gr. ε für lat. E abgewichen würde) eine Entstellung oder Variante von CANAE lesen? Sind Erstere folglich Akkusative zu ΧΡε εΙSON?
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