Wir hatten heute den AcI und dabei u.a. den Satz: Orator Hortensium consulem bonum esse dicit.
Neben der „normalen“ Übersetzung (Der Redner sagt, dass Konsul Hortensius gut ist/sei.), führte der Dozent noch eine weitere Möglichkeit an: „Der Redner sagt, es gibt einen guten Konsul Hortensius.“ - Man interpretiert also „Hortensium consulem bonum esse“ als Subjektsakkusativ; das sei, so der Dozent, eine Frage des Kontextes.
Ich habe das so jetzt nicht direkt in der Grammatik gefunden, hängt das nur davon ab, ob ich esse mit „sein“ oder mit „exstieren“ etc. - je nach Kontext - übersetze?
Ich denke schon.
„es gibt“ ist eine gern genommene, alternative Übersetzungsmöglichkeit für esse- Formen. Allerdings würde ich hier „Hortensium“ als Subjektsakkusativ sehen und „consulem bonum“ entsprechend als Prädikatsnomen (im Akk. wegen AcI). Das ist, beim AcI auch die, so denke ich, gebräuchlichere Variante. Die andere Version wird eher in normalen Sätzen bei passendem Kontext gebraucht.
Okay, danke dir, dann habe ich das glaube ich verstanden. Die Übersetzungsmöglichkeit von esse mit „es gibt“ hatte ich bislang noch nicht auf dem Schirm. :)
Nein, es hat nichts mit dem Kontext zu tun, dass Hortensium consulem bonum esse Subjektsakkusativ ist. Er ist das A im AcI und damit Subjektsakkusativ im Lateinischen. Immer, immer, egal ,was Du daraus im Deutschen machst oder wie Du esse übersetzt.
Man kann „esse“ mit den Wörtern übersetzen, wie sie im Wörterbuch stehen. Grob gesagt: vorhanden sein, existieren, sein, hier.
Mit AcI hat das nun spezifisch nichts zu tun, der Satz könnte unabhängig stehen: Hortensius consul bonus est. Als theoretische Übersetzungen fallen mir ein: Hortensius ist ein/der gute/r Konsul; es gibt den/einen guten Konsul (namens) Hortensius; Hortensius ist als Konsul gut (als Koch vielleicht nicht). Semantisch ist das kein großer Unterschied.
Wenn man weiterdenkt, könnte es auch heißen: Der Redner sagt, es sei gut (bonum) + AcI Hortensium consulem esse (ohne Wiederholung des zweiten „esse“, elliptisch): dass Hortensius Konsul ist. (Weil er ja denkt, dass Hortensius ein guter Konsul ist - wiederum kein riesiger semantischer Unterschied). Dieses Gedankenspiel ginge bei einer Form, die nicht dem Neutrum. Nom./Akk. Singular gleicht, allerdings nicht.
Ich hatte das heute so (vielleicht falsch) verstanden, weil der Dozent vorher nur „Hortensium consulem“ als Subj-Akk. angegeben hat... So hatte ich das vorher auch verstanden, also wie Latein0201 es eben erklärt hat.
est, sunt werden in der Bedeutung „es gibt“ normalerweise vorangestellt. Die Alternativ-Version des Dozenten halte ich, abgesehen von der Frage nach der Sinnhaftigkeit, für abwegig.
Re: Frage zum AcI
filix am 10.3.17 um 3:11 Uhr, überarbeitet am 20.3.17 um 13:27 Uhr (Zitieren)
erstmal vielen Dank für eure ausführlichen Antworten. Für seine Übersetzung hatte er vorher das Beispiel „Deus est.“ gebracht (Es gibt einen Gott.). Etwas komisch fand ich, dass er meine Übersetzung mit Konjunktiv I für (noch) zu fortgeschritten hielt: Der Redner sagt, Konsul Hortensius sei gut. Ich frage mich, wie die anderen Teilnehmer die indirekte Rede im Deutschen ausdrücken. Selbst in der Umgangssprache verwendet man ja häufig Konjunktiv II.
Die Übersetzung des Dozenten scheint mir nach euren Ausführungen aber tatsächlich eher fernliegend zu sein.
Zu Ailourofilos Ausführungen, „Hortensium consulem bonum esse“ sei immer Akkusativsubjekt, habe ich noch eine Nachfrage. Ich habe im Internet einen Link gefunden, wo das genau so steht.
Allerdings verstehe ich dann die Ausführungen im RHH § 167 unter 2. (S. 192) „Zur Konstruktion“ nicht so recht. Dort steht: „Das Prädikatsnomen neben dem Inf. tritt in den Akk.; desgleichen die auf den Subj.-Akk. bezüglichen Attribute und mit Vergleichspartikeln angereihte weitere Subjekte.“ Ein ähnlicher Merkspruch steht im Throm: „Das Prädikatsnomen im AcI richtet sich nach dem Subj.-Akk.“ Widerspricht sich das oder verstehe ich das falsch?
Bei der ersten Variante habe ich es so verstanden, dass „Hortensium consulem bonum esse“ insgesamt das Akkusativsubjekt ist, bei der zweiten Variante nur Hortensius und der Rest (das Prädikatsnomen) wird angeglichen (consulem bonum).
Re: Frage zum AcI
viator am 10.3.17 um 9:33 Uhr, überarbeitet am 10.3.17 um 9:41 Uhr (Zitieren)
Du meinst „Subjektsakkusativ“? Um den geht es hier.
Hortensium ist der Subjektsakk., bonum consulem das an diesen angepasste Prädikatsnomen.
@Miguel: Die Schüler im Gymnasium lernen den Ausdruck „Subjektakkusativ“ üblicherweise überhaupt nicht. Wenn du dir als Übersetzungshilfe merkst: Der Akkusativ des AcI wird zum Subjekt im „dass-Satz“, dann bist du zunächst einmal gut gerüstet für Übersetzungen von Latein nach Deutsch. Ich weiß ja nicht, was du anstrebst. Willst du noch Latein auf der Uni. studieren?
Bis gestern hatte ich mir den Begriff Subjektsakkusativ auch gar nicht gemerkt, der Dozent brachte ihn gestern ins Spiel (ein ehem. Lateinlehrer). Ich hatte mir das tatsächlich genau so gemerkt, wie du es gerade geschrieben hast. Die Unterscheidung AcI und Subj.-Akk. ist natürlich relevant für das Verständnis des RHH etc.
Latein studieren will ich nicht... Ich könnte mir aber vorstellen, das Latinum irgendwann in Angriff zu nehmen. Hier wird noch zwischen kleinem, KMK- und großem Latinum unterschieden. Das brauche ich zwar nicht, aber als Lernziel wäre das ein zusätzlicher Anreiz.
Sehr schön ist die Uni Salzburg, wo ich war. Da kannst du dir auch noch Wirkungsgeschichte der Antike oder Archäologie überlegen (Mykene) als Kombifächer
Das ist bestimmt interessant. Aber für ein solches (Zweit-)Studium fehlt mir momentan die Zeit, zumal es an der hiesigen Uni keinen Lateinstudiengang gibt.
Ich bin Jurist, dafür braucht man kein Latein (mehr). Die lateinischen Rechtssprüche habe ich damals auswendig gelernt. Latein wollte ich damals schon in der Schule lernen, hatte aber keine Möglichkeit dazu.
Das erklärt wohl auch dein hervorragendes Deutsch und deine Fähigkeit, sprachlich sehr differenziert denken zu können und zu müssen. Gerade bei euch Juristen kommt es ja oft auf Feinheiten bei Formulierungen an.
Dann schlage ich vor, dass du dich als Rechtsberater von Lateinhelfer verdingen kannst. Er hat sich wohl breitschlagen lassen, den ehrenvollen Posten des Administrators weiter auszuüben.
Über Latein lernt man viel über dt. Grammatik und Grammatik allgemein. Da stößt man auf Probleme, über die man sich sonst kaum oder nie Gedanken macht.
Ich als Schüler auf dem Gymnasium habe den Begriff direkt zu Anfang gelernt, und es wird auch die korrekte Verwendung mittlerweile vorausgesetzt. :)
Re: Frage zum AcI
Klaus am 10.3.17 um 13:58 Uhr, überarbeitet am 10.3.17 um 13:59 Uhr (Zitieren)
@Latin0201: Ich weiß, dass du ein sehr begabter Schüler eines sicher sehr guten Gymnasiums bist. Mir liegt ein neues Lehrbuch vor, in dem der Begriff Subjektakkusativ nicht verwendet wird.
In Latinum Ausgabe B wird der Begriff auch verwendet, aber nur beiläufig. „Der Akkusativ hat den Wert eines Subjekts (und wird deshalb Subjektsakkusativ genannt)“ - daher hatte ich das auch nur am Rande zur Kenntnis genommen. Die Erklärung „Der Akkusativ [im Beispiel Marcum] wird zum Subjekt des deutschen dass-Satzes (und wird darum auch Subjektsakkusativ genannt).“ fand ich da schon eingängiger. Jedenfalls dürfte die Formulierung, der Subjektsakkusativ richte sich nach dem jeweiligen Kontext, nicht zutreffend sein, worauf Ailourofilos hingewiesen hatte.