es geht um folgenden Satz, bei dem ich ‚nigre‘ bzw. ‚nigrae‘ nirgens zuordnen kann:
Abeat de ipso precio iam dicta domna mea pelles unas et de chonils copertis de gualabru nigre.
Meine Übersetzung (hofffe das ist so richtig, denn mit precio konnte ich zuerst nichts anfangen):
Meine genannte Herrin soll nun wegen dem Wert (precio) von sich aus auf einzelne Felle verzichten, und zwar auf Kaninchendecken (und) auf Gualaru nigre.
chonils => connil => Kaninchen (plural)
chonils copertis => wörtlich => bedeckte Kaninchen?
chonils und gualabru müssen meiner Meinung nach wegen der Präposition ‚de‘ im Ablativ stehen. Demnach passt ‚nigre‘ nicht dazu, da es im Genitiv/ Dativ oder Nominativ steht.
Was soll gualabru sein?
Der Satz ist sehr seltsam. pelles unas hängt in der Luft. Ein acc. graecus?
Was soll chonils für eine Form sein?
de precio abire = von Preis abrücken = weniger verlangen ???
Kontext?
Re: Adjektiv ohne Bezugswort?
filix am 7.7.20 um 12:35 Uhr, überarbeitet am 7.7.20 um 13:04 Uhr (Zitieren)
Es dürfte sich bei „gualabr-u nigr-e“ nicht um lat. Flexionsendungen, sondern eine fremdsprachliche Übernahme der Bezeichnung für diesen Stofftyp aus einer romanischen Sprache handeln. „de precio abire“ heißt „vom Preis/Wert abgehen“, i.e. „diesen vermindern“, „nachlassen“, daher „etwas vom Preis/Wert abziehen“. Die Bedeutungsverschiebungen im Mlat. sind z.T. erheblich.
Danke für die Erklärungen. Aber ich bin da ziemlich abgehängt. Dann stimmt von meiner Übersetzung wahrscheinlich nicht viel? Wenn Du das bitte nochmal erklären könntest? Danke!
chonil ist Altfranzösisch => connil => Kaninchen
Re: Adjektiv ohne Bezugswort?
filix am 7.7.20 um 13:15 Uhr, überarbeitet am 7.7.20 um 14:16 Uhr (Zitieren)
Ich bin weder Experte für mittelalterliche Textilien (zur textilen Terminologie im Umfeld deiner Quelle 500 Seiten in katalanischer Sprache: https://core.ac.uk/download/pdf/16213273.pdf), noch kann ich anhand eines Satzes die genaue Bedeutung des Wert- oder Preisminderungvorgangs im Kontext erraten. Da musst du uns schon mehr erzählen, auch, welche Quellen du benutzt, offenlegen. Man findet deinen (Halb-)satz z.B. als „et abeat de ipso precio iam dicta domna mea pelles I et de chonils copertis de gualabru nigre et brisallo I de fustani.“
Der spanische Autor untersuchte die Erwähnung von Tieren in mittelalterlichen Dokumenten und speziell zu diesem lateinischen Text bemerkte er, dass Kaninchenfelle wohl nicht so wertvoll waren, da er in seiner untersuchten Zeit nur zwei Erwähnungen fand. Also der spanische Text hat nichts mit dem Inhalt des lateinischen Textes zu tun. Trotzdem konnte ich nur dieses lateinische Zitat finden, welches wohl aus einem Manuskript stammt, das noch nicht editiert wurde und deshalb auch nicht als Buch oder Online verfügbar ist.
Aber ich konnte lernen, dass die Flexionsendungen von fremdsprachlichen Übernahmen ins Latein nicht immer mit den lateinischen Regeln zusammenpassen müssen.
Danke!
Re: Adjektiv ohne Bezugswort?
filix am 7.7.20 um 14:11 Uhr, überarbeitet am 7.7.20 um 14:13 Uhr (Zitieren)
Letzteres war eigentlich schon an „de chonils“ zu erkennen. Der Text, offensichtlich ein Testament, ist als Nr. 879 in Rius Serra: Cartulario de Sant Cugat del Vallés, vol. I-III, Barcelona, CSIC, 1945-1947; Indices, vol. IV, Madrid, Ministerio de Cultura, 1981 zu finden.
„de“ (mit Abl.) funktioniert hier wohl teilweise (nicht anders als in der dt. Umgangssprache) als Genitiv.
Ich beschäftige mich, rein aus Interesse, mit den geistlichen Orden des 12. und 13. Jahrhunderts. Und früher oder später kommt man da an den Textilien, die vor allem den Mönchen Anfang/ Mitte des 12. Jahrhunderts verboten wurden nicht vorbei. Unter anderem ist in den Verboten eben dieses Galebrun enthalten. Es gab in der Vergangenheit schon viele Untersuchungen diesbezüglich, doch je mehr Quellen aus dieser Zeit man betrachtet, kann man wiederum jegliches Ergebnis anzweifeln. Sicher ist nur, dass im Spätmittelalter, so ab 1300, Galebrun eine Farbbezeichnung war. Das beweist eine mittelhochdeutsche Übersetzung, welche Galebrun mit Gelpraun, also Gelbbraun, übersetzt. Doch wahrscheinlich verhält es sich mit Galebrun ähnlich wie mit Scharlach. Letzteres war auch zuerst die Bezeichnung eines Stoffes, der überwiegend in diesem typischen rot gefärbt war. Später wurde Scharlach eine Farbbezeichnung. In dem Text oben haben wir schwarzes Galebrun, was mit dem Gelbbraun wiederum nicht zusammenpasst.
Ein unlösbares Rätsel.
Re: Adjektiv ohne Bezugswort?
Klaus am 7.7.20 um 19:56 Uhr, überarbeitet am 7.7.20 um 19:58 Uhr (Zitieren)
Hallo Sebi,
in deinem letzten Beitrag hieß der Stoff: galebruna, heute schreibst du: gualabru nigre. Es könnte sich ja um verschiedene Stoffe handeln; oder denkst du, dass hier Schreibfehler vorliegen?
nein, ich glaube beide Begriffe meinen das Gleiche. Die schreibart unterscheidet sich in den verschiedenen Regionen. In Katalonien wurde oft Gualabru benutzt, wenn der Begriff in lateinischen Sätzen vorkam. In Frankreich wurde stets Galabruna bzw. Galebrun verwendet. Ebenso in Italien und dem Vatikan. In Italien dieser Zeit wäre z.B. der Gualchieraio der Tuchwalker. Altspanisch Guado wäre gelb. Dann dieser Gerichtsspruch, der feststellt, dass Gualabruna doch keine Stoffe sind und sie damit nichts mit den Webern und Tuchwalkern zu tun haben bzw. mit deren Vereinbarung. Am Ende sind es vielleicht doch Felle? Es sind schlicht keine harten Fakten zu finden...
Danke für deine Erklärungen, Sebi. Dann ist das Rätsel ja weitgehend gelöst, und der Stoff hatte in verschiedenen Gegenden unterschiedliche Färbungen.
Wünsche dir viel Erfolg bei deinen weiteren Nachforschungen!