Eloge auf Alexander von Humboldt auf Latein — 1982 Aufrufe
AvH in Russland am 28.12.18 um 15:46 Uhr (Zitieren)
Liebe Lateiner, hat eventuell jemand Lust und Zeit für eine deutsche Übersetzung und Nachdichtung einer Eloge auf den Naturforscher Alexander von Humboldt? Das Poem stammt von Ernst Klien, einem Professor für lateinische Sprache und Stilistik in Moskau um 1830. Anlass war die Russlandreise Humboldts. Ich würde mich über Hilfe sehr freuen, da ich der Sprache leider nicht mächtig bin, aber wissen möchte, um was es geht.
Humboldt iter in Monte Uralensis Facienti
Igenio summo, scriptis meritisque decorus
Europae terras primus adire copis.
His perlustratis, ot victis Alpibus altis,
Ut pontum tentes, pergis in Hesperiam.
Pontum non horrena magnum, similisque Columbi,
Quas reperit terras, has peragrare studes.
Qualis sacra Jovi summo regina voluerum
Solem contemplans ardua quaeque petit
Talis praeruptos Andes superas animosus,
Perpetua tectos culmina summa nive.
Vulcani ignivomas fabricas conscendere primus
Tentas, e quibus fumus et unda ruit:
Haud secus in valles descendere, fulgure et imbre
Privatas, carptum gramina prima Tibi.
Quin auri rivos generosaque viscera terrae
Indagata Tibi, regna reclusa patent.
Flumina larga legens ripas fontesque requiris,
Picturus cursum, gramina, bruta, homines.
Omnibus his visis, post tot discrimina rerum,
Croesus thesauros, Hesperiam reptis.
Cunctis miratus, finito tramite summo,
Parisiis pandis divitias patriae.
Sic meriti serto cinctus Tua tempora, pulchram
Metropolin repetis, qua genitus fueras.
Hic rex Wilhelmus doctos artesque adamans, et
dilectus cunctis jure Pater Patrie,
Laudat opus praestans aevo nullo periturum,
Et summo Te ornat nomine, sed merito.
Virtutum et meriti, quo splendes, gloria summa
Continuo nostrum pervolat Imperium.
Hinc noster sapiens populis cultus Nicolaus,
Qui dextra forti sceptra paterna tenet,
Prospiciens patriae, summo montes Uralenses
Te indagare rogat visceribus celebres.
Nos Te miramur, magnum coeptum reputantes,
Proque salute Tua fundimus hasce preces:
Omnipotens coepto removens obstacula cuncta
Adsit, et incolumem Te in patriam referat!
Es handelt sich um eine beflissene Kurzbiographie (mit Schwergewicht auf den Reisen) in Versen einschließlich Segenswünschen angelegentlich der Reise des Gerühmten ins Uralgebirge. Deine Abschrift enthält allerdings Fehler: „in Monte Uralensi“, „coepis“, „et“ ....
Re: Eloge auf Alexander von Humboldt auf Latein
AvH in Russland am 28.12.18 um 19:40 Uhr (Zitieren)
Danke dafür! Habe die Fehler gefunden. Im Originaltext heißt es „in Monte Uralenses Facienti“, [...] „primus adire cupis. His perlustratis, et victis Alpibus altis“.
Interessant ist übrigens, dass der Text vor Humboldts Reise in den Ural verfasst wurde.
Noch zwei Fragen: Ist es ein sauberes Latein, das Herr Klien hier schreibt und dichtet? und was hat es mit dem Diamanten auf sich, der in folgender Strophe erwähnt wird?
Sic meriti serto cinctus Tua tempora, pulchram
Metropolin repetis, qua genitus fueras.
Hic rex Wilhelmus doctos artesque adamans, et
dilectus cunctis jure Pater Patrie,
Laudat opus praestans aevo nullo periturum,
Et summo Te ornat nomine, sed merito.
Hinc noster sapiens populis cultus Nicolaus,
Von hier aus bittet unser weiser, von seinen Völkern verehrte (Zar) Nikolaus
Qui dextra forti sceptra paterna tenet,
Der in der starken Rechten das väterliche Zepter hält
Prospiciens patriae, summos montes Uralenses
und der Fürsorge für sein Vaterland trägt, die Gipfel des Uralgebirges,
Te indagare rogat visceribus celebres.
die zahlreichen, in ihrem Inneren zu erforschen.
Nos Te miramur, magnum coeptum reputantes,
Wir bewundern dich, wenn wir dein großes Unternehmen bedenken,
Proque salute Tua fundimus hasce preces:
und zu deinem Heil lassen wir folgendes Gebet ertönen:
Omnipotens coepto removens obstacula cuncta
Der Allmächtige helfe bei deinem Beginnen, indem er sämtliche Hindernisse aus dem Weg räume
Adsit, et incolumem Te in patriam referat!
und dich unversehrt in die Heimat zurückbringe!
Re: Eloge auf Alexander von Humboldt auf Latein
AvH in Russland am 28.12.18 um 20:51 Uhr (Zitieren)
Ganz herzlichen Dank für diese wertvolle Hilfe. Jetzt habe ich eine klare Vorstellung von diesem Text. Vielen Dank auch für die Fehlerkorrektur. Das ist alles richtig. Ich habe den Text von einer uralten Xerox-Kopie transkribiert und bin froh, dass er halbwegs lesbar ist und zudem noch übersetzbar. Wem darf ich danken? eckert[at]stiftung-friedenstein.de
Re: Eloge auf Alexander von Humboldt auf Latein
filix am 28.12.18 um 20:55 Uhr, überarbeitet am 28.12.18 um 21:31 Uhr (Zitieren)
„Primus“ (wie gelegentlich bei Dichtern) steht hier für „primum“. Zuerst möchte er also einmal die Länder Europas bereisen, ehe er sich in die weite Welt wagt.
Humboldt ging vor den großen Forschungsreisen nach Italien Spanien, das hier „Hesperia“ heißt.
Wohl eher: „Die (wasser)reichen Ströme lesend (also ihrem Lauf folgend) erforschst du Ufer und Quellen.“
Das PFA drückt oft Absichten bzw. Pläne aus, kann also mit einem Finalsatz übersetzt werden.
Was den Titel angeht, sollte der „Humboldt iter in Montes Uralenses Facienti“ lauten: „Für Humboldt, der ins Uralgebirge reist“.
Re: Eloge auf Alexander von Humboldt auf Latein
AvH in Russland am 28.12.18 um 20:59 Uhr (Zitieren)
Danke! Der Titel lautet vollständig:
Alexandro Lib. Bar. Ab Humboldt iter in Montes Uralenses Facienti
= „Für Alexander Freiherrn von Humboldt, der ins Uralgebirge reist.“
Re: Eloge auf Alexander von Humboldt auf Latein
AvH in Russland am 28.12.18 um 21:17 Uhr (Zitieren)
Prima! Was „Hesperia“ anbelangt, könnte es möglich sein, das damit nicht Italien sondern Frankreich und Spanien gemeint sind. Von nach seinem Aufenthalt in Frankreich 1798, ging er Anfang 1799 nach Spanien und brach von La Coruña zu seiner Amerika-Reise auf.
Ja, Hesperia bezeichnet nicht nur Italien, sondern auch Spanien, wenn H. die letzte Station vor der Reise meinen sollte.
Re: Eloge auf Alexander von Humboldt auf Latein
AvH in Russland am 28.12.18 um 21:36 Uhr (Zitieren)
Alle klar! Ich freue mich sehr über Übersetzung. Einen kleinen Text in Form einer Widmung habe ich noch:
Christophoro Danieli Zinner,
sacrorum antistiti Stressenhausensi,
amico optimo patris loco a se culto
pio granoque animo d.d.d.
Herr Zinner, an den der Dank gerichtet ist, war Pfarrer in Stressenhausen in Thüringen.
Re: Eloge auf Alexander von Humboldt auf Latein
filix am 28.12.18 um 21:50 Uhr, überarbeitet am 29.12.18 um 13:08 Uhr (Zitieren)
„Dem Pfarrer (eigentlich: dem Vorsteher der gottesdienstl. Handlungen) von Stressenhausen, Christoph Daniel Zinner, dem besten, von ihm an Vaters Stelle erzogenen (oder verehrten) Freund hat <dies> treuen und dankbaren Herzens gegeben, geschenkt und gewidmet ...“
Re: Eloge auf Alexander von Humboldt auf Latein
AvH in Russland am 28.12.18 um 21:55 Uhr (Zitieren)
Herzlichen Dank nochmals! Ich werde dieses Forum gern weiterempfehlen.
Re: Eloge auf Alexander von Humboldt auf Latein
Klaus am 29.12.18 um 9:26 Uhr, überarbeitet am 29.12.18 um 9:28 Uhr (Zitieren)
Re: Eloge auf Alexander von Humboldt auf Latein
AvH in Russland am 29.12.18 um 9:33 Uhr (Zitieren)
Entschuldigung, mein Fehler. Das Wort heißt richtig:
Wenn Christoph Daniel Zinner älter war als der Verfasser, ist patris loco a se culto als Ausdruck der Zuneigung zu einem väterlichen Freund (wörtl.: an Vaters Stelle verehrten) zu verstehen.
Re: Eloge auf Alexander von Humboldt auf Latein
AvH in Russland am 29.12.18 um 14:16 Uhr (Zitieren)
Ja, Zinner (1802-1873) war 16 Jahre älter als der Autor der Zeilen, bei dem es sich um Carl Michael Zerrenner (1818-1878) handelt. Die Widmung steht in dessen Dissertation über ein mineralogisches Thema unter dem Titel „De Adamante“. Er verfasste sie 1850 als 20seitige Schrift in Latein! Bemerkenswert ist, dass Zerrenner seit Beendigung seiner Schulzeit, das war 1836, bis zum Verfassen seiner Dissertation im Jahr 1850 vermutlich keine lateinische Sprachpraxis hatte. Also mindestens 14 Jahre nicht. Zerrenner arbeitete als Bergingenieur in Russland. Meine These ist, dass er die Diss seinem väterlichen Freund zur Übersetzung gab. Beide, Zinner und Zerrenner, gingen am Hildburghausener Gymnasium zur Schule, wo der Unterricht noch zum größten Teil auf Latein gehalten wurde. Zerrenner hatte einen Vater Johann Carl Jacob (1791-1863) der auch recht lange lebte. Allerdings haben sich die Eltern schon zwei Jahre nach seiner Geburt scheiden lassen. Soviel zu den biografischen Details.
Re: Eloge auf Alexander von Humboldt auf Latein
AvH in Russland am 29.12.18 um 14:42 Uhr (Zitieren)
Hier ein kleiner Ausschnitt aus Zerrenners Dissertation. Frage: Ist das ein gutes Latein?
Adeoque ex officinis aerariis Bogoslowskianis expeditio aliqua facta est, quae efficit quidem ut larga arenae auriferae strat invenirentur, nec tamen ad adamantes investigandos perduxit. Ut ratum fieret illud quod paedictum erat, in summa similitudine mineralium corum, quae in montium tractibus utriusque hemisphaerii fragmenta stratorum sedimentariorum autrum et platinam continentium efficiunt, veri simillimum esse, in montibus Uralensibus quoque adamantes inventum iri: hic geologiae quasi triumphus posteriori tempori reservatus erat: eo enim ornatum est iter illud,quod Alexander de Humboldt, quem jure meritoque Aristotelem recentiorum saeculorum vocara licet, anno 1829 Imperatore Russiae auctore, ad Montes Uralenses et Altaienses suscepit, eoque probatum est, jure suou Al. de Humboldt, com Petropoli digressurus Imperatrici valediceret, confidenter dixisse: se non sine russicis adamantibus Augustae iterum sese ostenturum.
Da sicher wieder einige Abschreibfehler in dem Text zu finden sind ( z.B. strat, vocara), erschwert dies die Beurteilung. Das Latein des 19. Jahrhunderts ist mit klassischem Latein schwer zu vergleichen.
Warum interessiert dich diese Frage, da du ja selbst kein Latein kannst, wie du schreibst?
Re: Eloge auf Alexander von Humboldt auf Latein
AvH in Russland am 30.12.18 um 12:18 Uhr (Zitieren)
Ja, es heißt richtig im Text „strata“ und „vocare“. Die Abschreibfehler schleichen sich tatsächlich ein, weil ich die Sprache nicht beherrsche. Mich interessiert eine Einschätzung darüber inwieweit man die Sprache nach 14 Jahren des Nichtgebrauches noch beherrschen und auch fehlerfrei schreiben kann. Zerrenner, der vor seiner Dissertation fast 14 Jahre im Ural als Bergwerksverwalter gearbeitet hat, wird sicher keine lateinische Sprachpraxis dort geübt haben. Vielleicht war er aber auch nur sprachbegabt und konnte sein Schullatein schnell wieder auffrischen.
Ich frische mein Schullatein nach 60 Jahren hier auf, deshalb steht es mir nicht zu, deine Frage zu beantworten.
Re: Eloge auf Alexander von Humboldt auf Latein
filix am 30.12.18 um 12:27 Uhr, überarbeitet am 30.12.18 um 12:38 Uhr (Zitieren)
Es sollte auch „effecit“ (damit die Tempuswahl im ut-Satz stimmt) heißen, „eorum“, „jure suo“, „cum“ ...
Ich würde sagen, es handelt sich um grammatisch sattelfestes, an den Klassikern orientiertes Latein, wie man es von Absolventen neuhumanistischer Bildungseinrichtungen im 19. Jhdt. erwarten kann. Ob das elegante Wissenschaftsprosa ist, ist eine gänzlich andere Frage.
Re: Eloge auf Alexander von Humboldt auf Latein
AvH in Russland am 30.12.18 um 12:39 Uhr (Zitieren)
Alles korrekt. Das ist ein wenig wie „Finde den Fehler“. Danke dafür! So sieht dann der richtige Text des Autors aus:
Adeoque ex officinis aerariis Bogoslowskianis expeditio aliqua facta est, quae effecit quidem ut larga arenae auriferae strata invenirentur, nec tamen ad adamantes investigandos perduxit. Ut ratum fieret illud quod paedictum erat, in summa similitudine mineralium eorum, quae in montium tractibus utriusque hemisphaerii fragmenta stratorum sedimentariorum autrum et platinam continentium efficiunt, veri simillimum esse, in montibus Uralensibus quoque adamantes inventum iri: hic geologiae quasi triumphus posteriori tempori reservatus erat: eo enim ornatum est iter illud, quod Alexander de Humboldt, quem jure meritoque Aristotelem recentiorum saeculorum vocare licet, anno 1829 Imperatore Russiae auctore, ad Montes Uralenses et Altaienses suscepit, eoque probatum est, jure suo Al. de Humboldt, cum Petropoli digressurus Imperatrici valediceret, confidenter dixisse: se non sine russicis adamantibus Augustae iterum sese ostenturum.
Was die Wissenschaftsprosa betrifft, so glaube ich, dass der Text erst auf Deutsch verfasst und danach ins Lateinische übetragen wurde.
Das liegt nahe, es ist schwer vorstellbar, dass die dargestellten Überlegungen schon im Lateinischen gefasst wurden, außerdem schlägt die Erstsprache immer durch, das macht solche späten lat. Texte auch so lesbar.
Re: Eloge auf Alexander von Humboldt auf Latein
AvH in Russland am 30.12.18 um 12:51 Uhr (Zitieren)
Ich lese gerade, dass erst 1867 an den preußischen Universitäten die Promotionsprüfung in lateinischer Sprache aufgehoben wurde. Zumindest im Fach Medizin. Wahrscheinlich war es zu Zerrenners Zeit, er promovierte in Leipzig, dort auch noch üblich das examen rigorosum in Latein abzuhalten. Das hätte ich jetzt nicht erwartet.
Das ist einmal eine erfreulich offenherzige Antwort. Bei mir steht es ähnlich (ersetze 60 durch40). Eine Sache ist es, grammatikalisch korrektes Latein zu erkennen, eine andere , stilistisch gutes Latein zu beurteilen. Mit unserem Schullatein sind wir dazu gar nicht in der Lage. Man kann aber sagen, dass im Vers die stilistischen Maßstäbe niedriger liegen, weil auf der anderen Seite die metrischen Anforderungen höher sind.
Re: Eloge auf Alexander von Humboldt auf Latein
Klaus am 1.1.19 um 17:32 Uhr, überarbeitet am 1.1.19 um 17:34 Uhr (Zitieren)
@Bogus Man: Salve Vir False, cur nomen tibi viri falsi imposuisti? Quo de viro lego haec:
Vir falsus in via
tam celeriter quam potest
fatigatus quidem, sed te capiet,
telum in te mittet.