Der Plural ἀδελφοί (wie „fratres“) kann, obwohl es eine weibl. Form gibt, gebraucht werden, um gemischtgeschlechtliche Gruppen anzusprechen. Der Umkehrschluss, dass in einer so adressierten Gruppe auch jedes Mal sich tatsächlich Männer und Frauen befinden, ist aber unzulässig, man wird wieder auf die kontextuelle Deutung zurückverwiesen. An einer Stelle wie Mk 3,31 - 35 -
http://biblehub.com/interlinear/mark/3.htm - wird das Problem recht schnell deutlich. Ein Großteil der Problematik liegt ja darin, dass die verschiedenen Bedeutungsebenen in Verquickung mit der Frage nach dem Verhältnis von grammatischem Geschlecht und Geschlechtszugehörigkeit der Adressaten keine genaue Entsprechung in der Zielsprache haben. Was ἀδελφοί alles sagen kann, aber nicht zwingend tut, hat kein einfaches dt. Pendant. So ist man allenfalls bereit, in berüchtigten Saufliedpassagen wie „Alle Menschen werden Brüder“ die übertragene Bedeutung enger familiärer Beziehungen inklusiv aufzufassen, nicht aber, wenn jemand sich an eine Gruppe mit „Liebe Brüder im Herrn“ wendet, in der auch Schwestern sitzen. Das inklusive „Geschwister“ wiederum hat es nie wirklich zu dieser übertragenen Bedeutung gebracht, weshalb man „Alle Menschen werden Geschwister“ schon jenseits der Frage, ob von Verschwisterungsidealen beflügelte sprachpolizeiliche Eingriffe in historisches Textmaterial sinnvoll sind, als merkwürdig empfindet.