Latein Wörterbuch - Forum
Übersetzung Lhomond — 3995 Aufrufe
discipulus am 30.3.18 um 16:42 Uhr (Zitieren)
Ich bitte um Rat:

Iuvenis scilicet ingenio, litteris et forma inter aequales conspicuus, pravo consilio amicitiam Catilinae secutus erat, et in castra eius properabat.

Mein Versuch:
Ein junger Mann, herausragend unter Gleichaltrigen nämlich durch sein Talent, seine Bildung und sein Aussehen, hatte durch schlechten Entschluss die Freundschaft Catilinas gesucht (hier bin ich unsicher, vllt. hatte festgehalten an => Kontext) und eilte zu dessen Lager.

Wie ist die Meinung im Forum? Danke im Voraus!
Re: Übersetzung Lhomond
Gast am 30.3.18 um 17:03 Uhr (Zitieren)
oder:
hatte sich C. als Freund angeschlossen/ war eine Freundschaft mit C. eingegangen

pravo consilio = aufgrund einer verkehrten/falschen Entscheidung
Re: Übersetzung Lhomond
tolina am 30.3.18 um 17:38 Uhr (Zitieren)
Der junge Mann ... (Es geht um den Sohn eines Senators, nicht irgendeinen jungen Mann.)

Senator quidam filium supplicio mortis ipse affecit. Juvenis scilicet ingenio, litteris et forma inter aequales conspicuus, pravo consilio amicitiam Catilinae secutus fuerat, et in castra ejus properabat:

https://la.wikisource.org/wiki/De_viris_illustribus_urbis_Romae_a_Romulo_ad_Augustum/Marcus_Tullius_Cicero
Re: Übersetzung Lhomond
filix am 30.3.18 um 19:39 Uhr (Zitieren)
Mit etwas Freiheit kann man „pravo consilio“ durch „aus falschen/falsch verstandenen Motiven“ wiedergeben.
Re: Übersetzung Lhomond
Gast am 1.4.18 um 13:42 Uhr (Zitieren)
„falsch verstanden Motive“?? hmm...
Re: Übersetzung Lhomond
Observator am 1.4.18 um 18:04 Uhr (Zitieren)
Zitat von Gast am 1.4.18, 13:42„falsch verstanden Motive“?? hmm...
??
Re: Übersetzung Lhomond
Gast am 1.4.18 um 18:42 Uhr (Zitieren)
Kann man seine eigenen Motive falsch verstehen?
Re: Übersetzung Lhomond
Didymus am 1.4.18 um 19:57 Uhr (Zitieren)
Welchen Sinn soll beim iuvenis ein falsch verstandenes Motiv machen?
Er hatte wohl ein falsches Motiv, aber sicher kein falsch verstandenes.
Es geht um das üble/schlimme Motiv, warum er sich C. anschloss, oder?
Re: Übersetzung Lhomond
filix am 2.4.18 um 1:59 Uhr, überarbeitet am 2.4.18 um 11:03 Uhr (Zitieren)
Man kann „pravus“ als moralische Bewertung allein lesen, dann sind die Motive des jungen Mannes, der im nächsten Satz vom Vater abgeschlachtet wird, schlichtweg schlimm, übel oder unrecht.

Berücksichtigt man die zusätzlichen Bedeutungen „krumm“, „verwachsen“, „verschroben“ usf. kann man das in meinen Augen als Ausdruck der inneren Verworrenheit des handlungsleitenden consilium deuten. Die Formulierung vom „falsch verstandenen Motiv“ meint dann, dass aus besten subjektiven Absichten die verwerflichsten Entscheidungen gefällt wurden. Das ist bei einem Mann der als „ingenio, litteris et forma inter aequales conspicuus“ charakterisiert wird, also sozusagen ein Sohn aus gutem Hause ist, nicht völlig abwegig.
Re: Übersetzung Lhomond
arbiter am 2.4.18 um 18:12 Uhr (Zitieren)
Das Motiv des jungen Mannes könnte sein: Abenteuerlust; Bedürfnis, sich vom Vater und dessen System-affirmativen Wertekanon abzusetzen; Erwartung, durch Teilnahme am Umsturz in anderweitig nicht zu erreichende Positionen zu gelangen, o.ä.
Was sollte er selbst daran mißverstanden haben? Allenfalls sein Vater könnte ein möglicherweise von mir übersehenes ehrenwertes Motiv falsch verstanden haben.
Noch weiter: inwiefern könnte man ein solches (oder überhaupt ein) Motiv als „falsch“ bezeichnen, bzw. als richtig? Was wäre denn das „richtige“ Motiv für eine verwerfliche Tat?Das Motiv (die Absicht, der Tatbestandsvorsatz) geht der Tat voraus, auch wenn diese nicht zum Ziel führt, ist das Motiv doch nicht ex post als falsch zu bezeichnen.
Re: Übersetzung Lhomond
filix am 2.4.18 um 19:32 Uhr, überarbeitet am 2.4.18 um 19:42 Uhr (Zitieren)
Ich verstehe die Formulierung gewöhnlich als Mischung aus Bewertung und Erklärung durch einen Kommentator, der ausdrücken möchte, dass zwischen allgemeinen, meist nicht als verwerflich eingestuften Motiven (bzw. den darin enthaltenen Wertvorstellungen) und daraus folgenden Handlungen oder Haltungen , die sehr wohl zu verurteilen sind, eine Diskrepanz besteht, die nur durch das falsche Verständnis des von ihm betrachteten Subjekts, diese folgten notwendigerweise aus bzw. passten (moralisch) widerspruchsfrei zu jenen, erklärlich scheint.

„Aber er ist der Sohn eines Legionärs, der Sohn eines Helden in den Legionen des Augustus und aus falsch verstandener Pietas, aus falsch verstandener Sohnesliebe hatte er so gehandelt.“
„Aus falsch verstandener Brüderlichkeit sahen die Verteidiger des absoluten Asyls alle als gleich an.“
„Der Chef des Reichssicherheitshauptamtes nennt es würdeloses Verhalten aus falsch verstandenem Mitleid.“
„Wenn der Asket ferner selbst in dem Falle, daß er nicht aus religiösen Motiven, sondern aus moralischen, aber falsch verstandenen Motiven eine asketische Lebensweise führt ...“
„Angesichts dieser offenen und gradlinigen Einstellung besteht kein Anlass zu der Befürchtung, dass er aus falsch verstandenen Motiven den Angeklagten zu schützen sucht.“
Re: Übersetzung Lhomond
Gast am 2.4.18 um 20:01 Uhr (Zitieren)
Was soll man sich konkret unter einem falsch verstandenen Motiv = Beweggrund bei dem iuvenis vorstellen, als er sich Catilina anschloß? Kann man sein eigenes Motiv falsch verstehen?
Man kann das Motiv anderer falsch verstehen, aber doch nicht sein eigenes, oder?
Re: Übersetzung Lhomond
Klaus am 2.4.18 um 20:04 Uhr (Zitieren) I
@filix: Ich lese hier mit und möchte zwei weitere Beispiele für „falsch verstanden“ beisteuern:
Die Mutter hat aus falsch verstandenem Ehrgeiz ihrer Tochter die Hausaufgaben erledigt.
Die Zoobesucher habe aus falsch verstandener Tierliebe das Fütterungsverbot missachtet.
Passen die Beispiele in den Zusammenhang?
Re: Übersetzung Lhomond
filix am 2.4.18 um 20:13 Uhr, überarbeitet am 2.4.18 um 20:19 Uhr (Zitieren) I
Passen die Beispiele in den Zusammenhang?


Für mich schon. Wer glaubt, aus wahrer Tierliebe zu handeln, impliziere, die (eigentlich gut versorgten) Zootiere zu füttern, handelt in den Augen des Kommentators, der darin nur eine sinnlose und nicht tiergerechte Überfütterung sieht, eben aus einem falschen Verständnis von Tierliebe. Der so Charakterisierte hält das natürlich nicht für falsch, für ihn passt das alles widerspruchsfrei zusammen.
Re: Übersetzung Lhomond
Gast am 2.4.18 um 20:15 Uhr (Zitieren)
„Der Ehemann hat den Nebenbuhler aus falsch verstandener Eifersucht umgebracht:“

Wer würde so etwas sagen?
Re: Übersetzung Lhomond
filix am 2.4.18 um 20:23 Uhr, überarbeitet am 2.4.18 um 21:29 Uhr (Zitieren) I
Wer würde so etwas sagen?


In dem Satz fehlt die Diskrepanz zwischen (hehrem) Motiv und dazu für den Kommentator nicht passender Handlung - aus Eifersucht einen Mord zu begehen, ist wohl für die meisten moralisch falsch, aber die wenigsten würden darin besagten Widerspruch sehen. Ersetzt man „Eifersucht“ durch „Liebe“, sieht es gleich anders aus.
Re: Übersetzung Lhomond
Gast am 2.4.18 um 20:52 Uhr (Zitieren)
Welche hehren Motive sollte ille iuvenis gehabt haben als Spießgeselle von Catilina?
Re: Übersetzung Lhomond
filix am 2.4.18 um 20:59 Uhr, überarbeitet am 2.4.18 um 22:30 Uhr (Zitieren)
Ob es unbedingt gleich hehr gewesen sein muss, das Motiv, sei dahingestellt, schon Ehrgeiz, Streben nach Einfluss im Staat oder einfach der Versuch, wie arbiter schrieb, sich in Absetzung vom Wertekanon des Elternhauses zu beweisen, sind hinreichend positiv besetzt, um solche Diskrepanzen zu erzeugen.

In der - wir würden heute vielleicht sagen - Ehrenmordszene, die Lhomond mit dickem Pinsel entwirft, könnte es sich auch einfach um falsch verstandene Treue, Freundschaft usf. als Motiv handeln. Aus Treue (an sich positiv besetzt) einem flüchtigen Verschwörer, der eigentlich gescheitert ist, ins Lager zu folgen, erschiene so als falsches Verständnis von Treue, Freundschaft usw. Welche an sich niedrigen Motive könnten einen in einer so aussichtslosen Situation dazu bewegen, so einen Schritt zu setzen? Gewöhnlich verlassen doch die Ratten das sinkende Schiff zuerst, während Kapitän und wesentliche Besatzungsmitglieder (durch Werte gebunden) bis zuletzt an Bord bleiben sollten. Avanti, Schettino!
Re: Übersetzung Lhomond
Gast am 3.4.18 um 9:17 Uhr (Zitieren)
Vielleicht könnten diese Stellen bei Livius helfen herauszufinden, was wirklich mit einem „pravum consilium“ gemeint ist:

http://latin.packhum.org/loc/914/1/1305/1115-1127#1305
http://latin.packhum.org/loc/914/1/1429/2710-2722#1429
http://latin.packhum.org/loc/914/1/323/1380-1392#323

Ob man hier auch mit „falsch verstandene Motive“ übersetzen könnte?
Re: Übersetzung Lhomond
filix am 3.4.18 um 11:53 Uhr, überarbeitet am 3.4.18 um 11:56 Uhr (Zitieren)
Ich werde den spontanen Vorschlag gewiss nicht als beste oder einzig mögliche Übersetzung verteidigen, dass die Formulierung an sich und im Kontext nicht sinnlos ist, sollte ich gezeigt haben. Übersetzt man es durch „aus einer Fehlentscheidung“, „schlecht beraten“, „aus falschen Motiven“ oder „in verquerer Absicht“, entkommt man dem Vorwurf, sich zu viel Freiheit erlaubt zu haben, natürlich eher. Dass die Bewertung des Kommentators in der geschilderten Situation, in der ein Sohn aus gutem Hause dem schon geschlagenen Verschwörer nacheilen möchte, jedoch nicht vorrangig den Motiven an sich gilt, diese also per se als moralisch verwerflich zu kennzeichnen sucht, sondern die Irreleitung des iuvenis charakterisieren will, glaube ich jedoch noch immer.
Re: Übersetzung Lhomond
arbiter am 3.4.18 um 15:36 Uhr (Zitieren)
filix hat für einen Friedensschluss plädiert, dagegen habe ich nichts.
In „aus falsch verstandenem Ehrgeiz“ u.ä. Formulierungen sehe ich eine Art Hypallage.
Der Ehrgeiz, die Tierliebe usw. werden nicht unzulänglich verstandesmäßig geprüft, sondern es folgen diesen Motiven unangebrachte Handlungen.
Der Disput hat seinen Ursprung womöglich im unterschiedlichen Verständnis von „Motiv“. Für mich - und ich glaube nicht, dass ich damit alleinstehe - ankert ein Motiv im limbischen System, oder auch im unhinterfragten Normenkomplex, und wird verstandesmäßig allenfalls beim Psychotherapeuten analysiert.
Oder auch in der unterschiedlichen Auffassung von „verstehen“. Dies wird ja auch in Variationen für „Empathie“ gebraucht, die ja keineswegs einer rationalen Überprüfung bedarf.
Ein consilium ist aber ohne eine solche Konnotation nicht denkbar.
Re: Übersetzung Lhomond
filix am 6.4.18 um 12:22 Uhr, überarbeitet am 6.4.18 um 12:54 Uhr (Zitieren)
Ich denke nicht, dass im Dt. der Motivbegriff so eng ist, die Bandbreite der dadurch erfassten Beweggründe ist hoch und er passt zu verschiedenen Rationalitätstypen, man spricht ja auch von ökonomischen, patriotischen, politischen oder überhaupt rationalen im Unterschied zu irrationalen Motiven. „consilium“ hingegen ist gewiss enger gefasst und betont den Aspekt von Planung, vernünftiger Erwägung und Beratung viel stärker.

In Formulierungen wie „aus falsch verstandener Tierliebe“ und dgl. geht wohl zum Teil auch das Unverständnis des Kommentators für in seiner Sicht zu den Motiven nicht passende Handlungen auf den so beurteilten Handelnden über. Dass Letzterer gar keine Überlegungen angestellt hat, ist möglich, aber m.E. nicht zwingend.

Eigentümlich ist die Beschränkung auf hinreichend positiv besetzte Motive - man kann, abgesehen von dem schon diskutierten Beispiel, nicht sagen „Er hat ihn aus falsch verstandener Mordlust geschont“, „Das Wohnhaus wurde aus falsch verstandener Profitgier saniert, statt es abzureißen“ & c.
 
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