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Hannibal - Chemie — 5535 Aufrufe
ulli am 20.1.14 um 18:28 Uhr (Zitieren)
Livius schildert, wie Hannibald den Berg passierbar machte: Livius, 21, 37

37. Endlich wurde, als sich Thiere und Menschen vergeblich erschöpft hatten, auf der Höhe ein Lager aufgeschlagen, wozu man den Platz nur mit größter Mühe reinigte: so viel Schnee hatte man loszugraben und wegzubringen. Nun mußten die Soldaten herbei, über diese Klippe, die einzige, über welche der Weg möglich war, Bahn zu machen: und da der Fels gebrochen werden mußte, so thürmten sie die in der Nähe gefälleten und gekappten ungeheuren Bäume zu einem gewaltigen Holzstoße auf: diesen setzten sie, bei einem sich aufmachenden heftigen Winde, der die Glut beförderte, in Brand, und machten das glühende Gestein durch aufgegossenen Essig mürbe. Den auf diese Art ausgebrannten Felsen öffneten sie mit Werkzeugen und ließen seine Höhen so sanft in mäßigen Krümmungen ablaufen, daß nicht allein die Packpferde, sondern auch die Elephanten hinabgeführt werden konnten....

Wie hat man sich das vorzustellen?
Man hat eine steile Klippe und er brennt durch Essig und Feuer ein Loch darein?
Re: Hannibal - Chemie
Klaus am 20.1.14 um 19:12 Uhr, überarbeitet am 20.1.14 um 19:13 Uhr (Zitieren) I


Von dem karthagischen Feldherrn Hannibal (247-183 v. Chr.) ist eine erstaunliche Problemlösung mit Essig überliefert. Als Hannibal mit seinem Heer und den berühmten Kriegselefanten die Alpen überquerte, versperrten häufig große Felsbrocken den Weg. Für Elefanten, die im Gegensatz zu Pferden keine höheren Stufen steigen können, ein unüberwindliches Hindernis. Deshalb ließ der Feldherr um die Felsen herum Feuer entzünden und, als die Steine richtig heiß waren, Essig darüber gießen. Dadurch ließen sich die Steine »erwei­chen«, sie konnten leicht auseinandergebrochen und aus dem Weg geräumt werden
Re: Hannibal - Chemie
habiat am 20.1.14 um 19:19 Uhr (Zitieren)
Im Reclamtext zum 21. Buch steht auch als Anmerkung dazu etwas, aber ich habe dieses Büchlein nun nicht vorliegen.

Hier findest du aber auch etwas:
http://de.wikipedia.org/wiki/Feuersetzen

Man nennt es Feuersetzen, unter „Methode“ findest du Näheres. Im Original bei Livius wird von „rūpēs, is, f., die steile, schroffe, jähe Felswand, die Klippe, dah. auch = Felsenkluft, jähe Schlucht, jäher Abgrund“ gesprochen und „saxum, ī, n., der Felsblock, das Felsstück, der Felsstein, große Stein, der Fels“. Wie genau man es sich nun vorstellen muss, als das Heer den Weg durch eine Gesteinsmasse vor sich versperrt sah, kann ich nicht sagen...
Re: Hannibal - Chemie
ulli am 20.1.14 um 19:31 Uhr (Zitieren)
aber an dieser Stelle geht es doch um einen Abstieg?

„... ließen seine Höhen so sanft in mäßigen Krümmungen ablaufen, daß nicht allein die Packpferde, sondern auch die Elephanten hinabgeführt werden konnten....“

Mir fällt es schwer, mir eine steile Klippe vorzustellen, an die man Feuer anlegen kann etc.
Wenn ich es richtig erkannt habe, ist die Schilderung mit den Gesteinsbrocken eine andere Stelle, wo er aber das gleiche Verfahren angewandt hat.
Re: Hannibal - Chemie
Klaus am 20.1.14 um 19:36 Uhr (Zitieren)
Ob das wirklich eine Klippe war ist zu bezweifeln, Klippen findet man im /am Meer.
http://de.wikipedia.org/wiki/Klippe
Re: Hannibal - Chemie
ulli am 20.1.14 um 19:37 Uhr (Zitieren)
aber zumindest ein steiler Abstieg, oder?
Re: Hannibal - Chemie
Klaus am 20.1.14 um 20:39 Uhr (Zitieren)
Das kann ich nicht sagen, in den Alpen ist mancher Weg steil. Wie Livius das meint, dass die Höhen durch das Wegräumen von Gestein „sanft“ wurden, ist schwer zu sagen. Soviel ich weiß, war er ja selbst nicht vor Ort.
Ich bin aber auch kein Geologe.
Re: Hannibal - Chemie
ulli am 20.1.14 um 22:01 Uhr (Zitieren)
Also vorher beschreibt er wohl den steilen Abstieg...

"Indeß war der Weg hier weit beschwerlicher, als er im Hinansteigen gewesen war, weil die Alpen meistentheils auf der Italiänischen Seite zwar minder hoch, aber auch steiler sind. Fast der ganze Weg war jäh, enge und schlüpfrig, so daß sie weder [Fußnote], wenn sie einmal ins Wanken kamen, sich vom Falle zurückhalten konnten, noch, wenn sie zu Boden gefallen waren, auf ihrer Stelle liegen blieben, und also Menschen und Vieh, eins über das andre, hinstürzten.

36. Nun kam man auf eine Klippe, die noch weit enger war und deren Felsenwände so gerade standen, daß kaum ein unbewaffneter Soldat, wenn er den Versuch machte und sich mit den Händen an den umher ragenden Büschen und Stämmen hielt, sich hinablassen konnte. Diese Stelle, schon vorher von Natur steil, war neulich erst durch einen Erdfall zu einer Tiefe von beinahe tausend Fuß [Fußnote] hinabgestürzt. Als Hannibal sich wunderte, was hier den Zug aufhielte, weil die Reuterei nicht anders, als sei der Marsch zu Ende, stehen blieb, so meldete man ihm, auf dieser Klippe sei kein Durchkommen möglich. Er ging selbst hin, den Ort in Augenschein zu nehmen. Er glaubte, sich entschließen zu müssen, das Heer auf einem Umwege, wäre er auch noch so lang, durch die ungebahnten, nie betretenen Umgebungen zu führen. Hier aber war der Weg vollends unmöglich. Denn so lange der bis jetzt unberührte [Fußnote] neue Schnee, von mäßiger Höhe, über dem alten lag, konnten sie bei ihrem Eintritte in den weichen, nicht zu hohen, Schnee leicht festen Fuß fassen. Als er aber durch den Heerzug so vieler Menschen und Thiere aus einander getreten war, gingen sie auf dem darunter stehenden nackten Eise und im fließenden Schlamme des geschmolzenen Schnees. Natürlich hatten sie hier eine schreckliche Noth [Fußnote] mit dem schlüpfrigen Eise, auf dem kein Fußtritt haftete und dessen abschüssige Fläche den Fuß so viel eher gleiten ließ. Und stürzten sie, weil auch dann, wenn sie sich auf ihren Händen oder Knieen aufrichten wollten, selbst diese Stützen ausglitten, von neuem nieder, so gab es rund umher weder Stamm noch Wurzel, woran sie sich mit dem Fuße oder der Hand hätten aufhelfen können. So wälzten sie sich nun auf lauter glattem Eise und im zerflossenen Schnee. Die Lastthiere traten öfters durch, da sie ohnehin schon auf der untersten Schneelage gingen; und wenn sie, um sich etwa vom Falle emporzustämmen, stärker mit den Klauen aufschlugen, sanken sie völlig ein, so daß die meisten, wie in einem Fangeisen, in dem starren und hoch auffrierenden Eise stecken blieben."

Also ist dies der Abstieg und die Lösung dann das mit dem Essig?
Re: Hannibal - Chemie
Klaus am 20.1.14 um 22:48 Uhr (Zitieren)
Was suchst du für eine Lösung? Geht es um ein Rätsel?
Re: Hannibal - Chemie
filix am 20.1.14 um 23:01 Uhr, überarbeitet am 21.1.14 um 0:29 Uhr (Zitieren)
Um einen steilen, felsigen Abhang zu überwinden, legt man z.B. Serpentinen an - nichts anderes ist m.E. unter „... molliuntque anfractibus modicis cliuos, ut non iumenta solum sed elephanti etiam deduci possent.“ - „ ... und machten durch sanfte Windungen die Abhänge weniger steil, sodass nicht nur die Packpferde, sondern auch die Elefanten hinabgeführt werden konnten“ zu verstehen. Sehr anschaulich: http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/f/f2/Stilfser_04.jpg/420px-Stilfser_04.jpg
Dabei kommt u.a. die angesprochene Technik des Feuersetzens ins Spiel - http://www.youtube.com/watch?v=4mmWdkzpArQ.
Re: Hannibal - Chemie
Klaus am 20.1.14 um 23:23 Uhr (Zitieren)
Deine Übersetzung, filix, ist natürlich treffender als die oben vorgegebene, sodass jetzt alles klar ist. danke!
Re: Hannibal - Chemie
arbiter am 21.1.14 um 1:44 Uhr (Zitieren)
ob allerdings das Feuersetzen in diesem Fall den Tatsachen entspricht, ist nicht sicher. Livius lebt 200 Jahre nach den Ereignissen, also hat er keine Augenzeugen zur Hand, von Augenzeugenberichten wissen wir nichts, und bei Polybios - ein nahezu-Zeitgenosse, der eine gleichartige Szenerie beschreibt - finde ich über Feuersprengungen nichts; Livius hat womöglich in Kenntnis des Verfahrens dessen Anwendung, da plausibel, konjiziert.
Unklar ist mir allerdings, wieso der Einsatz von Essig dem von Wasser offenbar für überlegen gehalten wurde
Re: Hannibal - Chemie
Jonathan am 21.1.14 um 11:49 Uhr (Zitieren)
CaCO3 + 2 CH3COOH --> CO2 + H2O + Ca(CH3OO)2

Kalkalpen
http://www2.klett.de/sixcms/media.php/76/alpenkarte.jpg

Aber nur eine Vermutung meinerseits.
Re: Hannibal - Chemie
filix am 21.1.14 um 14:49 Uhr, überarbeitet am 4.4.16 um 12:03 Uhr (Zitieren)
http://mining.about.com/od/Mining-Heritage-And-Traditions/a/The-Role-Of-The-Vinegar-In-The-Firesetting-Techniques.htm

Die „infosso acuto“-Lesart halte ich allerdings für nicht überzeugend.


http://www.persee.fr/web/revues/home/prescript/article/paleo_0153-9345_2000_num_26_2_4715?_Prescripts_Search_tabs1=standard&

„The myth of Hannibal who broke the rocks in the Alps to make his and his elephants' passage possible by the use of fire and vinegar (infuso aceto) was first reported by Livy (XXI, 37) 250 years after the event and was several times repeated by Pliny (XXIII, 27 ; XXXIII, 71) The endless contributions to this insoluble problem over the last 150 years at least have produced useful observations of the destructive effects of fire on stones14, and of the more aggressive effects of strong acetic acid solutions on heated stones, at least in laboratory experiments15. In practice the throwing of water or vinegar on rock at high temperatures would be fraught with hazard : dangerous gases, exposure to heat and rock missiles from decrepitation of the rock.“
---
14 Siehe Digitalisat
15 Shepherd, R., Hannibal the rock breaker, Minerals Industry lnt. 39-47, Sept. 1992

Dass dabei die chemische Reaktion von Kalk und Essigsäure die Hauptrolle gespielt haben soll, finde ich angesichts der Vorgangsweise (Verdampfung), der benötigten Mengen und Konzentrationen, der Angriffsfläche usf. doch recht zweifelhaft. Aber vielleicht liest ja ein/e Chemiker/in mit und ist bereit, uns die Sache zu erläutern ...
Re: Hannibal - Chemie
Klaus am 21.1.14 um 15:18 Uhr (Zitieren)
Was mich stutzig macht, ist die lange Zeit,die es gedauert haben muss bis eine Serpentinenstrasse auf diese Weise in den Fels „gesprengt“wurde. Ich könnte mir eher vorstellen, dass einelne Felsbrocken durch diese Technik weggeräumt wurden.
Re: Hannibal - Chemie
ulli am 21.1.14 um 19:13 Uhr (Zitieren)
ja, man stelle sich einen steilen Abhang wie auf filix Bild vor, wie sollte man das Holz aufschütten etc. ohne, dass es runter rutscht?
Aber Livius schildert ja einen so steilen Hang.
Re: Hannibal - Chemie
Der Chemiker am 3.4.16 um 22:51 Uhr (Zitieren)
so weit ich das jetzt verstanden habe geht es weniger um das vollstänige umsetzten des kalksteines mit dem essig, als um risse im fels. da es bei der technik des feuersetztens nur um rissbildung im stein geht, um ihn dann mit werkzeug aufzubrechen, wird es zu einer besseren rissbildung gekommen sein, da zu dem thermoschock zusätzlich die säure den stein zersetzt. die resultierenen risse werden wohl einfach nur etwas groesser ausgefallen sein.
Re: Hannibal - Chemie
filix am 4.4.16 um 14:30 Uhr (Zitieren)
In einem der berühmtesten Texte des 18. Jahrhunderts, Casanovas Histoire de ma vie wird die Stelle aus Livius übrigens zum Ratgeber für den ersten, knapp vor dem Ziel gescheiterten Ausbruchsversuch aus den Piombi, dem berüchtigten Staatsgefängnis im Dogenpalast. Nachdem er sich in unerträglicher Hitze mit einem Spieß in mühevoller Kleinarbeit durch die Lärchenholzbretter des Fußbodens gearbeitet hat, stellt sich dem Gefangenen ein schier unüberwindliches Hindernis in den Weg, das ihn zu einem (eigentlich überflüssigen) philologischen Exkurs verleitet:

"Nun aber glaubte ich mich verloren, denn ich stieß auf eine Schicht von Marmorstücken, die man in Venedig Terrazzo marmorin nennt. Es ist der gewöhnliche Fußboden aller venetianischen Häuser, ausgenommen in den Wohnungen der Armen; denn selbst die vornehmsten Herren ziehen den Terrazzo dem schönsten Parkett vor.
Ich war betroffen, als ich sah, daß mein Spieß nicht in diese zusammengekettete Masse eindrang. Dieses Hindernis hätte mich beinahe gänzlich entmutigt. Da fiel mir ein, daß nach Titus Livius Hannibal sich einen Weg durch die Alpen gebahnt, indem er die Felsen durch Hacken oder andere Werkzeuge zerbrechen ließ, nachdem er sie vorher mit Essig erweicht hatte.
Ich glaubte, daß Hannibal dies nicht aceto vollbracht hätte, sondern aceta, was in seinem paduanischen Latein recht wohl dasselbe wie ascia (Zimmeraxt) bedeuten konnte; wer kann übrigens dafür bürgen, daß ein Abschreiber keine Fehler macht?
Nichtsdestoweniger goß ich eine Flasche starken Weinessig, den ich besaß, in mein Loch hinein; und sei es nun die Wirkung des Essigs gewesen, sei es, daß ich ausgeruht war und mehr Kraft und Geduld zur Arbeit mitbrachte – genug, ich sah bald, daß ich die neue Schwierigkeit überwinden würde. Ich mußte nicht die Marmorstücke zerbrechen, sondern vielmehr mit der Spitze meines Werkzeugs den Kitt, der sie verband, zerpulvern. Bald bemerkte ich zu meiner großen Freude, daß die Hauptschwierigkeit nur an der Oberfläche lag. In vier Tagen war die ganze Mosaik zerstört, ohne daß die Spitze meines Spießes den geringsten Schaden gelitten hatte." (Übersetzer: Heinrich Conrad)

 
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