Latein Wörterbuch - Forum
Mittellatein /Mittelalterliche Philosophie — 2191 Aufrufe
Tom am 1.12.10 um 21:04 Uhr (Zitieren) II
Guten Abend allerseits!

Ich sitze an einer Hausarbeit über mittelalterliche Philosophie und bin mir bei diversen Dingen nicht sicher - zumal ich a) klassisches Latein und kein Mittellatein gelernt habe, b) das auch schon ein ganzes Weilchen her ist, c) manche Vokablen in meinem Lexikon und auch hier einfach nicht auftauchen.

Zunächst: worin besteht rein philologisch (und wer noch was andres weiß, bitte auch schreiben), der Unterschied zwischen substantia und subsistentia?

Sodann bräuchte ich bitte Hilfe bei folgenden Persondefinitionen:
1) persona est substantia individua rationalis naturae (Boethius)
eine Person ist eine individuelle Substanz vernünftiger Natur.
Mit Genitiv klingt das im Dt. aber komisch und unverständlich. Kann man mit „mit“ übersetzen? Wenn ja, ist das immer so bei Genitiven, oder nur manchmal, und wann dann....?

2) persona est naturae rationalis incommunicabilis existentia -

Ich weiß nicht, wie ich existentia übersetzen soll, und auch nicht, wie incommunicabilis - die sich nicht mitteilt? aber was soll das sein?
Versuchsübersetzung:
Eine Person ist eine sich nicht mitteilende Existenz einer natürlichen Rationalität?
Macht keinen Sinn.

2) persona est existens per solum iuxta singularem rationalis naturae existentiae modum
Eine Person ist etwas, das allein existiert (Partizip mit Relativsatz aufgelöst) ... und dann hört’s bei mir auf.

3) Persona est hypostasis distincta proprietate ad dignitatem pertinente
Eine Person ist eine .... Hypostase... und dann irgend was mit Würde im Akkusativ

4) persona res moris est, quia dicit proprietatem dignitatis
Die Person ist eine Sache der Moral (??), durch die sich die Eigentümlichkiet der Würde ausdrückt?

5) Esse personae est morale et respicit dignitatem.
Das Sein der Person ist moralisch (?) und residiert in der Würde?

Danke im Voraus, und Entschuldigung, dass ich nicht alles vorübersetzt habe, ich komme einfach nicht weiter.

Grüße, Tom
Re: Mittellatein /Mittelalterliche Philosophie
lathae' am 1.12.10 um 21:50 Uhr (Zitieren) I
1. die Person ist eine >unteilbare< Substanz der vernünftigen Natur. – es klingt doch nicht komisch? was die termini technici der mittelalterlichen Philosophie bedeuten, sollte man aber lieber irgendeinem Philosophiewörterbuch entnehmen, oder der Sekundärliteratur dazu, um zu erfassen, was hinter dem Begriff „vernünftige Natur“, „Substanz“, etc. steht.

2. Die Person ist eine >nicht mitteilbare< Existenz der vernünftigen Natur

3. Eine Person ist durch die/ihre Eigenart, die zur Würde gehört, eine abgesonderte Persönlichkeit.
hypostasis: Persönlichkeit / propietas: Eigenart

am besten du suchst auch eine Übersetzung in einer Bibliothek dazu auf. . .
Re: Mittellatein /Mittelalterliche Philosophie
lathae\ am 1.12.10 um 21:51 Uhr (Zitieren) I
5. das Sein einer Person ist ethisch/moralisch und sorgt [daher] für die Würde.
Re: Mittellatein /Mittelalterliche Philosophie
arbiter am 2.12.10 um 0:51 Uhr (Zitieren) I
Re: Mittellatein /Mittelalterliche Philosophie
Bibulus am 2.12.10 um 1:18 Uhr (Zitieren) I
Freund Graeculus ist im Zweifelsfalle der Experte für Philospophie hier im Forum,
ich bin der fundierte, nicht mehr umkehrbare Epikuräer,
was meinem Alter geschuldet ist....
(„Genieße, solange du noch bewusst und genußvoll genießen kannst...“)
B-)
Re: Mittellatein /Mittelalterliche Philosophie
currro am 2.12.10 um 21:31 Uhr (Zitieren) I
Tom, zu deiner Frage nach den Genitiven: unter vielen anderen ist eine Funktion das Genitivs die Zuschreibung von Eigenschaften, sog. Gen. qualitatis.
ein Mensch von kleinem Wuchs und großem Herzen (kannst du googeln: Chick Webb)
Im Deutschen ist hier der sächsische Genitiv eher veraltet: ein Ritter edelsten Geblüts (sag' ich nur: huch).
Die Präposition „von“ geht immer - dein Vorschlag „mit“ wohl auch.
ein Mensch „von“ edler Gesinnung - ein Mensch „mit“ guten Manieren

2) incommunicabilis existentia
auf mich wirkt „existentia“ unwiderstehlich ablativisch
das liegt daran, dass man dem „incommunicabilis“ eine passivische Note geben kann:
nicht mitteilbar durch Existenz : ?
nicht übertragbar (?) in seiner (?) Existenz

2') iuxta modum singularem
iuxta singularem modum existentiae (Existenz-Modus, klingt fast wie Betriebs-Modus)
dann wieder der Gen.qual.

3) hypostasis distincta
distincta proprietate (Abl.instr., I assume)
proprietate pertinente ad dignitatem

4) vielschichtiger ist „Sitte“ statt Moral
quia = weil (du hast „qua“ gelesen?)
dicit : „ausspricht“, auch „besagt“ (?) , sogar „bedingt“ (?) - „condicio“...
weil sie die/eine Eigenschaft der Würde ausspricht/besagt/bedingt
diesen Sinn hast du genauso getroffen

5) siehe lathae\

mein Beitrag betrifft die von dir angesprochene sprachliche Seite; inhaltlich hat arbiter dir die Weiche zu einem zügigen Gleis gestellt
Re: Mittellatein /Mittelalterliche Philosophie
arbiter am 2.12.10 um 23:03 Uhr (Zitieren) I
muss mal Zweifel anmelden
1. persona est..: die Wortstellung zeigt, dass nach dem est eine Definition kommt; es kommt aber ein Gen., der m.E. von exist. abhängen muss, was dann kein Abl mehr sein kann
Re: Mittellatein /Mittelalterliche Philosophie
currro am 3.12.10 um 0:21 Uhr (Zitieren) I
schließe mich dem Zweifel an:
ein Prädikatsnomen „incommensurabilis“ würde den Genitiv hängen lassen
also Prädikatsnomen „existentia“, welchem ein Adjektiv und ein Gen. attribuiert sind
Re: Mittellatein /Mittelalterliche Philosophie
Tom am 17.12.10 um 18:36 Uhr (Zitieren) II
DANKE!!!!!!!
An alle!!!!!
 
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