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lokativ

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Der Lokativ (lateinisch: locativus, zu lat.: locus = „Ort“) ist ein Begriff aus der Grammatik und bezeichnet einen in verschiedenen Sprachen vorkommenden Fall (Kasus). Substantive, die im Lokativ stehen, haben zumeist die Funktion von Ortsangaben. Teilweise können neben dem eigentlichen Lokativ noch weitere Lokalkasus vorkommen, die sehr differenziert angeben, in welcher räumlichen Beziehung ein Objekt zu einem Ort steht (in, auf, unter, bei, hinein, heraus, nah, entfernt &c.). In Sprachen, die keinen gesonderten Fall für Ortsangaben haben, wird diese Aufgabe in der Regel von Präpositionen übernommen.

In manchen indogermanischen Sprachen haben sich Reste eines im Urindogermanischen vorhandenen Lokativs erhalten. So gibt es in der lateinischen Sprache den Lokativ als eigene Form noch bei den Namen von Städten und kleineren Inseln – sofern diese Singularformen der o- oder a-Deklination bilden (bspw.: Romae = „in Rom“) – sowie in den Formen domi (= „zu Hause“), ruri (= „auf dem Land“), humi (= „auf dem Boden“) und vesperi (= „am Abend“). In allen anderen Fällen wird statt des Lokativs entweder der reine Ablativ oder eine Präpositionalphrase verwendet.

Der Lokativ gibt den Ort eines Geschehens an (Frage: „wo?“). Außer in den erwähnten Fällen der a- und o-Deklination (bei denen er stets gleich dem jeweiligen Genitiv ist, z. B.: Romae = „in Rom“, Delī = „auf Delos“) wird er durch den Ablativ des Ortes ersetzt (bspw.: Carthagine = „in Karthago“, Athenis = „in Athen“).

Der altlateinische Lokativ lautete „Romai“ und „Deloi“. Er existierte auch in anderen Stammklassen; heute übernimmt der Ablativ die Funktion des Lokativs, meist mit einer Präposition.

Reste des alten Lokativs sind darüber hinaus in zu Adverbien erstarrten Wörtern wie domi (= „zu Hause“) oder humi (= „auf dem Boden“) und in der Phrase terra marique (deutsche Phrase „zu Wasser und zu Lande“) erhalten.

Zur Verwendung: „Klein“ ist eine Insel im Sinne dieser Regel, wenn sie nur einen Ort trägt und dieser genauso heißt wie die Insel (Delos, Cypros, aber nicht Sicilia, Creta und auch nicht unbewohnte Klippen. Diese Inseln wurden als „wasserumgebene Stadt“ aufgefasst.)

Diese Inseln, Städte, domus und rus, die auf die Frage „wo?“ mit dem Lokativ oder präpositionslosen Ablativ antworten, bilden ebenso einen präpositionslosen Ablativ als Separativus auf die Frage „woher?“: Roma „aus Rom“, Carthagine „aus Carthago“, Corintho „aus Korinth“, Athenis „aus Athen“, rure „vom Lande“, domo „aus dem Haus“

und einen präpositionslosen Akkusativ als Direktionalis auf die Frage „wohin?“: Romam „nach Rom“, Carthaginem „nach Karthago“, Corinthum „nach Korinth“, Athenas „nach Athen“, Hierosolyma „nach Jerusalem“ (ist n.pl.), rus „aufs Land“, domum „nach Hause“.

Die präpositionslosen Formen werden in der Regel jedoch nur verwendet, wenn keine unmittelbare Apposition (kein Adjektiv usw.) hinzutritt: Romae, in urbe celeberrima „in Rom, (in) der hochberühmten Stadt“ mit Lokativ, aber in urbe Roma „in der Stadt Rom“ mit Präposition; domi Caesaris „in Caesars Haus“, aber in illa domo „in jenem Hause“. Ausnahmsweise mit Apposition, aber dennoch ohne Präposition können (nicht müssen) stehen locus und Ortsangaben mit totus: loco idoneo „an geeigneter Stelle“, multis locis „an vielen Orten“, tota urbe „in der ganzen Stadt“.

Anmerkung: Den Lokativ gibt es im Deutschen nicht, sagen die Lehrbücher, aber im Zeitalter des Handys erlebt man ihn in der U-Bahn doch: „Hey, wo bist du gerade?“ „Ich bin Hauptbahnhof!“

Temporaler (zeitlicher) Gebrauch: Der oben erwähnte Lokativ vesperi „am Abend“ ist ein Beispiel für den zeitlichen Gebrauch auf die Frage „wann?“ (statt „wo?“). Er tritt noch auf in den Formen luci „am hellen Tage“, noctu „nachts“ und wird bei anderen einen Zeitpunkt bezeichnenden Wörtern ebenfalls durch den Ablativ ersetzt: aestate „im Sommer“, initio „anfangs“, ortu solis „bei Sonnenaufgang“, tempore „rechtzeitig“, anno quarto „im vierten Jahr“, quattuor annis „innerhalb von vier Jahren“ usw. Nicht selbst einen Zeitpunkt bezeichnende Wörter stehen im präpositionslosen Ablativus temporis, wenn sie unbetont, aber mit Attribut stehen: in pueritia „in der Kindheit“ versus prima pueritia „in früher Kindheit“, in bello „im Krieg“ versus bello Persarum „im Perserkrieg“ oder in summa senectute (betont:) „trotz des hohen Alters“ versus summa senectute (unbetont:) „im hohen Alter“.

Auch dieser Gebrauch des Lokativs oder Ablativs wird begleitet von einem präpositionslosen Akkusativ, und zwar auf die Frage „wie lange?“: unum diem „einen Tag lang“, annos triginta „dreißg Jahre lang“, annos iam triginta „schon seit dreißig Jahren“, diem noctemque „Tag und Nacht“ (d.h. „pausenlos“), decem annos natus „10 Jahre alt“, annum iam tertium („schon im dritten Jahr“) = „seit zwei Jahren“.

lokativ.1607456963.txt.gz · Zuletzt geändert: 2020/12/08 19:49 von 127.0.0.1