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Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Ein Chorlied auf Dionysos (429 Aufrufe)
Γραικίσκος schrieb am 21.11.2019 um 16:45 Uhr (Zitieren)
Lucius Annaeus Seneca (der Jüngere)
(ca. 4 v.u.Z. – 65 u.Z.)

OEDIPUS
(Verse 403-508b)
Bekränzt das aufgelöste Haar mit schwanker Efeudolde, die üppigen Arme bewehrt mit Nysas Thyrsusstäben!
Leuchtende Himmelszier, komme herbei zu den Gelübden, die dir dein berühmtes Theben, Bacchus, mit schutzflehenden Händen darbringt; hierher wende gnädig dein mädchenhaftes Haupt [huc adverte favens virgineum caput], mit dem sternengleichen Antlitz vertreibe das Gewölk und des Erebus finsteres Drohen und das gierige Fatum. Dir ziemt, das Haar zu kränzen mit Frühlingsblumen, dir, um das Haupt die tyrische Mitra zu schlingen oder mit beerentragendem Efeu die zarte Stirn zu umwinden, lose fliegen zu lassen ohne Gesetz [sine lege] das Haar, es wiederum in straffem Knoten zu sammeln; so, wie du in Furcht vor deiner erzürnten Stiefmutter herangewachsen warst, täuschende Gebärden annehmend, als wärst du eine Jungfrau im blonden Haar [crine faventi simulata virgo], indes ein safranfarbiger Gürtel dein Gewand festhielt; seither fandest du Gefallen an so weichlicher Aufmachung [inde tam molles placuere cultus], an losen Gewandfalten und wallendem Schleppenkleid. Dich sahen auf vergoldetem Wagen thronen, wie du mit dem langen Gewand die Löwen bedecktest, des ganzen Morgenlandes weite Zonen, dich, der aus dem Ganges trinkt und wer immer das Eis des Araxes bricht.
Dir folgt der greise Silen auf störrischem Eselein, die aufgedunsenen Schläfen umkränzt mit Gewinden aus Weinlaub; ausgelassene Mysten begehen die geheimen Orgien [condita lascivi deducunt orgia mystae].
In deinem Gefolge stampfte der Bassariden Kohorte mit ihrem Fuß den Boden bald auf dem edonischen Pangäus, bald auf dem thrakischen Scheitel des Pundus; bald trat unter den kadmeischen Müttern eine frevelhafte Mänade auf, Begleiterin dem ogygischen Iacchus, vom heiligen Rehfell umgürtet den Leib. Für dich haben, erregt im Herzen, die Mütter das Haar gelöst, und während ihre Hand den leichten Thyrsusstab schwang, schauten alsbald die Thyiaden, nachdem sie zerrissen des Pentheus Leib – nun ihre Glieder vom rasenden Stachel genesen waren, ihren Frevel mitan, als wäre er ihnen unbekannt [velut ignotum videre nefas].
Des Meeres Reiche beherrscht des glänzenden Bacchus Mutterschwester, und die Kadmustochter Ino wird von der Nereiden Reigen umringt; Anrecht auf die Fluten hat auch ihr Knabe, nun des großen Meeres Bewohner, ein Verwandter des Bacchus, eine nicht niedrige Gottheit, Palämon.
Dich, o Knabe, hat eine tyrrhenische Rotte geraubt, und Nereus glättete das wogende Meer; er verwandelt die bläulichen Wasser in Fluren: nun grünt in Frühlingslaub die Platane und Phöbus teuer der Lorbeerhain; geschwätzig zwitschert der Vogel durch die Zweige hin; wuchernde Efeuranken hält das Ruder fest, zuoberst umwinden Reben den Topp. Am Bug brüllt ein Löwe vom Ida, eine Tigerin vom Ganges sitzt am Heck. Da schwimmt der Pirat angsterfüllt im Meer, und ein neues Aussehen überkommt die Versinkenden: zuerst fallen die Arme den Räubern ab, zusammenschrumpfend vereinigt sich dem Bauch ihre Brust, klein hängt an der Flanke ein Händchen herab, und mit gekrümmtem Rücken taucht er unter die Flut, spaltet mit halbmondförmigem Schwanz das Meer: und er folgt den fliehenden Linnen als gekrümmter Delphin.
Auf reicher Woge trug dich der lydische Paktolos, goldene Fluten an schäumendem Ufer hinunterführend; den besiegten Bogen ließ ruhen und die getischen Pfeile der Massagete, der seine milchgefüllten Becher mit Blut mischt; die Reiche des axtschwingenden Lykurgus verspürten Bacchus, ihn verspürten der Zalaker wilde Länder, auch jene, die ausgesetzt dem nahen Nordwind ihre Weidegründe wechseln, auch die Völker, welche die Maötis mit kühler Flut umspült, und sie, auf die herabschaut vom höchsten Himmelsscheitel das arkadische Gestirn und sein Zwillingswagen. Er hat bezähmt die zerstreut wohnenden Gelonen, die Waffen entzogen den trotzigen Maiden: mit gesenktem Antlitz fielen zur Erde die am Thermodon wohnenden Scharen, und endlich niederlegend ihre leichten Pfeile wurden sie zu Mänaden. Der heilige Kithäron strömte über vom Blut und Mord an Ophions Geschlecht; des Prötus Töchter suchten die Wälder auf, und Argos verehrte Bacchus trotz seiner Stiefmutter Gegenwart. Naxos, vom Ägäischen Meer umkränzt, übergab dir zur Hochzeit die verlassene Jungfrau, aufwiegend mit einem besseren Gatten ihren Verlust: aus trockenem Bimsstein sprudelte des nächtlich verehrten Gottes Quell hervor; geschwätzige Bäche durcheilten das Gras, in sich trank die tiefe Erde süße Säfte, schneeweißer Milch lautere Brunnen und auch vermischt mit wohlriechendem Thymian lesbische Weine. Geführt wird die Neuvermählte in den großmächtigen Himmel [ducitur magno nova nupta caelo]: ein feierliches Lied singt Phöbus, die Schultern von Locken umwallt, und Cupido, zwillingsgeboren, schwingt die Hochzeitsfackeln; sein feuriges Geschoß hat Jupiter weggelegt, und verhaßt ist bei Bacchus‘ Nahen ihm der Blitz.
Solange die leuchtenden Gestirne der uralten Weltordnung ihre Bahn durcheilen [lucida dum current annosi sidera mundi], solange der Ozean den Erdkreis, ihn mit seinen Fluten einschließend, umfließt und solange Luna, voll geworden, ihre ausgesandten Feuer wieder sammelt, solange Luzifer den Anbruch der Frühe verkündet und die Bärin hoch am Himmel vom blauen Nereus nichts weiß, so lange werden wir das strahlende Antlitz des prangenden Lyäus verehren.

[Seneca: Sämtliche Tragödien. 2 Bde. Lateinisch-Deutsch hrsg. v. Theodor Thomann. Zürich/Stuttgart 1969; Bd. 2, S. 58-65]

Eine solche Fülle von mythischen Bezügen, von denen wir viele nur mit Mühe verstehen!

Mich hat der Bezug des Bakkchos zu den Amazonen überrascht. [Wo ist er hier zu finden?]
 
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