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Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Ὀρνιθογονία (744 Aufrufe)
Γραικίσκος schrieb am 17.05.2018 um 13:26 Uhr (Zitieren)
Die Theogonie kennen wir.

Von Antoninus Liberalis habe ich nun erfahren, daß in der Antike der Glaube (Mythos) existierte, alle Vögel stammten von Menschen ab. Dies ist Thema der Ornithogonie.
Antoninus berichtet dazu Fälle, die er aus dem (für uns verlorengegangenen) Werk des Βοιός, eines Autors aus dem 3. Jhdt. v.u.Z., entnommen hat.

Nach dem schon besprochenen Fall der Pygmäen und Kraniche möchte ich ein weiteres Beispiel zitieren, das einen interessanten Blick auf eine Vater-Sohn-Beziehung, das Verhältnis eines Strenggläubigen zu seinem Gott sowie Apollons Verständnis von Mitleid wirft:
Eumelus, der Sohn des Eugnotus, wohnte in dem Böotischen Theben, und hatte einen Sohn, Namens Botres. Dieser Eumelus bewies dem Apollo ausgezeichnete Ehre. Einstmals, als er opferte, und sein Sohn Botres dabei war, verzehrte dieser das Hirn des Lammes, eh' er es auf dem Altar geopfert hatte. Als Eumelus dieses bemerkte, schlug er den Knaben mit einem vom Altar genommenen Feuerbrande auf den Kopf, so daß dem Knaben das Blut herabfloß, und er mit Zuckungen zu Boden fiel. Bei diesem Anblick erhob[en] die Mutter, der Vater und die Diener eine große Wehklage. Apollo aber machte aus Mitleid gegen Eumelus, weil er ihn ehrte, den Knaben zu einem Vogel Eeropus, der noch jetzt zwar unter der Erde nistet, immer aber zu fliegen bemüht ist.

(zitiert nach: Parthenius des Nicaeers Liebesgeschichten und Antoninus Liberalis Sammlung von Verwandlungen. Uebersetzt von Fr. Jacobs. Wien 1837, S. 109 f.)
Re: Ὀρνιθογονία
Βοηθὸς Ἑλληνικός schrieb am 18.05.2018 um 10:02 Uhr (Zitieren)
Diese Jakobs-Ausgabe gibt es im Internet, wen es interessiert:
tinyurl.com/yd8bo5fn
Re: Ὀρνιθογονία
Φιλομαθής schrieb am 23.05.2018 um 17:31 Uhr (Zitieren)
Zitat von Γραικίσκος am 17.5.18, 13:26Apollons Verständnis von Mitleid

Man könnte sich fast zu der Vermutung hinreißen lassen, so etwas wie die schopenhauerische Vorstellung, dass jeder Hund die Idee des Hundes lebendig erhalte und nicht der Hund sterblich sei, sondern bloß sein Schatten, sei bereits vorhanden gewesen, und dem Individuum Eumelos wurde eine Form von Unsterblichkeit in der Gattung Eeropos gewährt.

Es klingt freilich nicht sonderlich verlockend, als unterirdisch brütender Vogel weiterzuleben, aber es handelt sich beim Eeropos, wie es scheint, um Merops apiaster L., den Bienenfresser, der seine Bruthöhle in Steilhänge gräbt und der recht hübsch ausschaut. Eumelos hätte es also kaum schlechter getroffen als jener Geliebte des Apoll, der nach einem Sportunfall als Blume erwachte.

Kann man eigentlich dem Antoninus Liberalis tatsächlich entnehmen, dass alle Vögel vom Menschen abstammen sollen?
Re: Ὀρνιθογονία
Γραικίσκος schrieb am 29.05.2018 um 15:52 Uhr (Zitieren)
Nein, nicht explizit, wohl aber mehrere Vögel.

Wo steht das bei Schopenhauer?
Re: Ὀρνιθογονία
Φιλομαθής schrieb am 29.05.2018 um 22:27 Uhr (Zitieren)
WWV II, Kap. 41, in der Lütkehaus-Ausgabe (Zürich 1988), Bd. 2, S. 561.

Der Abschnitt über den metaphysischen Pudel im Wortlaut:

Seht das nächste, seht euern Hund an: wie wohlgemuth und ruhig er dasteht! Viele Tausende von Hunden haben sterben müssen, ehe es an diesen kam, zu leben. Aber der Untergang jener Tausende hat die IDEE des Hundes nicht angefochten: sie ist durch alles jenes Sterben nicht im Mindesten getrübt worden. Daher steht der Hund so frisch und urkräftig da, als wäre dieser Tag sein erster und könne keiner sein letzter seyn, und aus seinen Augen leuchtet das unzerstörbare Princip in ihm, der Archaeus. Was ist denn nun jene Jahrtausende hindurch gestorben? — Nicht der Hund, er steht unversehrt vor uns; bloß sein Schatten, sein Abbild in unserer an die Zeit gebundenen Erkenntnißweise. Wie kann man doch nur glauben, daß Das vergehe, was immer und immer da ist und alle Zeit ausfüllt? — Freilich wohl ist die Sache empirisch erklärlich: nämlich in dem Maaße, wie der Tod die Individuen vernichtete, brachte die Zeugung neue hervor. Aber diese empirische Erklärung ist bloß scheinbar eine solche: sie setzt ein Räthsel an die Stelle des andern. Der metaphysische Verstand der Sache ist, wenn auch nicht so wohlfeil zu haben, doch der allein wahre und genügende.
Re: Ὀρνιθογονία
Γραικίσκος schrieb am 30.05.2018 um 13:00 Uhr (Zitieren)
Danke.
Jaja, die Ideenlehre.

Ganz ähnlich gedacht und etwas früher als Schopenhauer:
[...] Die Natur hier bei uns auf Erden ist in beständiger Bewegung, und ihre Gebärde ist heute nicht wie gestern und ehegestern. Alles wandelt und wogt. Doch die verschiedenen Spezies in allen 3 Reichen bleiben unbeweglich, und stehen wie Fixsterne in diesem wogenden Meer. Ulysses’ und Tobias’ Hündlein wedelten schon mit dem Schwanze; der Kürbis rankte schon vor Ninive, und das Gold ist und bleibt 19mal schwerer als das Wasser. Weil die Natur, wie man spricht, keinen Sprung tut, so muß sie freilich durch allerhand Verwandlungen zum Ziel gehen, und läßt, auf dem Wege dahin, verschiedene Gestalten sehen; aber wenn die Spezies, die sie im Sinne hat, vollendet ist, so geht sie nicht weiter. Sich selbst gelassen geht sie nicht darüber hinaus, und bleibt, wenn sie nicht gestört wird, nicht diesseits stehen. Ist die Spezies vollendet, so macht sie Feierabend, und sorgt nur für ihre Erhaltung; und wenn sie die Individua derselben nicht erhalten kann, so substituiert sie, auf die wundervolle Art und Weise, immer andre Individua, um so der Spezies eine Art von Ewigkeit zu verschaffen.
Es gibt zwar berühmte Gelehrte, die anders meinen und der Natur einen andern Plan ausgedacht haben. Ihnen sind die Spezies nur Ruhepunkte und Stufen, wo die Natur sich, sozusagen, besinnt und ausruht, um von da weiter, und immer vom Geringern zum Bessern und Vollkommnern vorwärts zu gehen; so daß z. E. aus einer Auster ein Krokodil, aus einer Mücke ein Kolibri etc., und aus den vollkommensten Tieren endlich gar Mensch und Engel werden könnten.
Diese Meinung ist artig gnug erfunden; nur das erste und Hauptsächliste dagegen ist, daß sie nicht wahr ist. Aus den Hühnereiern kommen nimmer Fasanen, sondern immer wieder Hühner hervor. Das ist die Beobachtung neuer und alter Zeiten [...]. Auch Noah muß die alte Meinung gehabt haben; er hätte sonst viel Mühe und Raum sparen können.
Die Natur schreitet so wenig von einer Spezies zu einer andern und vollkommnern fort, daß sie auch, wie gesagt, dieselbe Spezies nicht ändert und vollkommner macht. Die aufeinander folgenden Individua derselben sind und bleiben sich gleich, an Gestalt, Proportion, Talent und allen Eigenschaften und Neigungen, Sitten und Weisen. Die Herbstspinne spann schon bei den Römern ihr Gewebe in der wundersamen mathematischen Form mit Peripherien, Radien und Centro, und Aelianus bemerkt schon, daß sie bei diesem Kunstwerk den Euklides nicht nötig habe; er erzählt weiter von ihr, sie sitze in dem Centro ihres Gewebes und laure dem Raub auf, grade wie wir sie nach tausend und mehr Jahren noch sitzen sehen. Die wunderliche Sitte des Kuckucks ist bekannt, er legt nämlich sein Ei in das Nest eines andern Vogels und fliegt denn davon, und läßt den andern Vogel sein Ei ausbrüten und den jungen Kuckuck großfüttern; dies ist aber nicht etwa eine Erfindung der spätern Jahrhunderte unter den Kuckucks, sondern sie haben es schon immer so gemacht, wie eben der Aelianus erzählt. Die Krähen hassen schon die Eule im Plinius, und kreischen schon das Re-genwetter her im Virgil; die Schwalben kommen schon im Homer zu den Menschen ins Haus; die Ameise ist schon fleißig im Sirach , und der Pfau trägt noch die funkelnden Edelgesteine, damit ihn die Juno zu des uralten Inachus Zeiten ausstaffierte. So ist es immer gewesen und so wird es bleiben, und sicherlich war, in der langen Reihe von Elefanten, die von Anfang bis zum Ende durch die Natur hintereinander hergehen, der, der mit dem Rücken am Chaos steht, wie der, der seinen Rüssel in die Trümmer des Jüngsten Tages ausstrecken wird.
Sonach wären die Spezies vielmehr als Modelle anzusehen, die der Natur im Anfang von höherer Hand aufgegeben sind, sie unverändert durchzuführen. Sie läßt es auch an ihr nicht fehlen, und exekutiert diese Modelle immerhin mit dem größten Fleiß und der größten Genauigkeit. Ja, sie ist auf die unverletzte Erhaltung derselben so eifersüchtig, daß sie den Versuchen sie zu ändern und zu wirren ihren Segen versagt; denn es ist bekannt, daß die Maulesel und überhaupt alle Bastarde nicht weiter generieren können.
Wenn die Resultate von den verschiedenen Bewegungen der gebärenden Natur immer einerlei und dieselben sind; so sind es natürlich die Bewegungen selbst auch. Und, mit einem Wort, in der ganzen Natur, so herrlich und bewundernswürdig ihre Operationen sind, ist alles unbeweglich und niet- und nagelfest. Alles in ihr ist einem Gesetz der Notwendigkeit unterworfen, davon sie nicht abgeht und ohne eine fremde Hand nicht abgehen kann. [...]

Das stammt nun von Matthias Claudius.
Da kann man sich vorstellen, welche Sensation Charles Darwin gemacht hat.
Re: Ὀρνιθογονία
Γραικίσκος schrieb am 30.05.2018 um 13:01 Uhr (Zitieren)
Mit welcher Selbstverständlichkeit er sich immer wieder auf antike Autoren beruft! So war die Bildung.
 
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