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Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Antoninus Liberalis (566 Aufrufe)
Γραικίσκος schrieb am 14.05.2018 um 11:40 Uhr (Zitieren)
In dem Kapitel über Metamorphosen in seiner "Griechischen Kulturgeschichte" beruft sich Jacob Burckhardt häufig auf Stellen bei einem gewissen Antoninus Liberalis.

Da ich von diesem Autor noch nie gehört hatte, habe ich im Neuen Pauly nachgeschlagen. Dort finde ich, daß er Mythograph und Autor einer Sammlung kleinerer Verwandlungsgeschichten ist: Μεταμορφωσέων συναγωγή. Also in Griechisch geschrieben.
Gelebt hat er wahrscheinlich zur Zeit der Antonine oder Severer.
Sein Werk ist nur in einer einzigen Handschrift überliefert.

Kann jemand aus eigenen Leseeindrücken erklären, warum das Werk so sehr viel weniger bekannt ist als Ovids "Metamorphosen"?
Ganz unbedeutend kann es für dieses Thema nicht sein, denn Burckhardt bezieht sich, wie gesagt, sehr häufig darauf.
Re: Antoninus Liberalis
Γραικἱσκος schrieb am 15.05.2018 um 14:08 Uhr (Zitieren)
Das Buch habe ich inzwischen bekommen und kann mir eine Meinung bilden; dennoch bin ich weiterhin an anderen Ansichten interessiert.
Re: Antoninus Liberalis
Φιλομαθής schrieb am 15.05.2018 um 22:43 Uhr (Zitieren)
Das kleine Kompendium der Μεταμορφώσεων συναγωγή (das ich auch noch nicht kannte) bietet, soweit ich sehe, kaum mehr als eine Zusammenfassung des nackten Stoffs der behandelten Sagen. Vom ästhetischen Standpunkt aus wirkt das wenig reizvoll. Da der Autor offenbar nichts anderes schaffen wollte als ein Werk, das knapp über entlegene Verwandlungsmythen informiert, kann man ihm daraus keinen Vorwurf machen. Dass die ovidischen Metamorphosen, über deren künstlerische Qualität wir kein Wort zu verlieren brauchen, eine höhere Aufmerksamkeit erfahren, erscheint mir aber eigentlich nicht allzu verwunderlich.

Gestalterische Mängel in der Schrift des Antoninus Liberalis werden beispielsweise am 16. Stück recht deutlich, das auch deshalb ganz gut hierherpasst, weil die Pygmäen vor kurzem Thema im Forum waren:

(1) Παρὰ τοῖς λεγομένοις ἀνδράσι Πυγμαίοις ἐγένετο παῖς ὄνομα Οἰνόη τὸ μὲν εἶδος οὐ μεμπτή, ἄχαρις δὲ τὸ ἦθος καὶ ὑπερήφανος. ταύτῃ φροντὶς οὐδεμία ἐγίνετο τῆς Ἀρτέμιδος οὐδὲ Ἥρας. (2) γαμηθεῖσα δὲ Νικοδάμαντι τῶν πολιτῶν ἑνὶ μετρίῳ καὶ ἐπιεικεῖ ἔτεκε παῖδα Μόψον. καὶ αὐτῇ Πυγμαῖοι πάντες κατὰ φιλοφροσύνην πλεῖστα δῶρα πρὸς τὴν γένεσιν τοῦ παιδὸς ἀπήνεγκαν. Ἥρα δὲ μεφθεῖσα τὴν Οἰνόην, ὅτι αὐτὴν οὐκ ἐτίμα, γέρανον [αὐτὴν] ἐποίησε καὶ τὸν αὐχένα μακρὸν εἵλκυσε καὶ ἀπέδειξεν ὑψιπετῆ ὄρνιθα καὶ πόλεμον ἐνέβαλεν αὐτῇ τε καὶ τοῖς Πυγμαίοις. (3) Οἰνόη δὲ διὰ τὸν πόθον τοῦ παιδὸς Μόψου περιεπέτετο τὰ οἰκία καὶ οὐκ ἐξελίμπανε, Πυγμαῖοι δὲ καθοπλισάμενοι πάντες ἐδίωκον αὐτήν. καὶ ἐκ τούτου ἔτι καὶ νῦν Πυγμαίοις καὶ γεράνοις πόλεμος ἐνέστηκε.

(1) Bei den sogenannten Pygmäenleuten gab es ein Mädchen, das Oinoë hieß und das, seinem Äußeren nach zwar ohne Makel, vom Wesen her jedoch undankbar und überheblich war. Es hegte keinerlei Verehrung für Artemis und auch nicht für Hera. (2) Nachdem sie dem Nikodamas, einem bescheidenen und anständigen Bürger, zur Frau gegeben worden war, gebar sie ihm einen Sohn namens Mopsos. Und alle Pygmäen überbrachten ihr, wie es die Höflichkeit gebietet, die größten Geschenke zur Geburt ihres Sohnes. Hera aber, die es der Oinoë zum Vorwurf machte, dass sie sie nicht verehrte, verwandelte sie in einen Kranich und zog ihr den Hals lang und brachte einen hochfliegenden Vogel zum Vorschein und erregte Krieg zwischen ihr und den Pygmäen. (3) Oinoë nun umkreiste aufgrund der Sehnsucht nach ihrem Sohn Mopsos ihre Heimat und verließ sie nicht, die Pygmäen aber bewaffneten sich sämtlich und verjagten sie. Und daher herrscht auch heute noch Krieg zwischen den Pygmäen und den Kranichen.


Nachdem berichtet wurde, dass Oinoë reich beschenkt worden ist, geht Antoninus unvermittelt zu ihrer Verwandlung über. Der Leser erwartete stattdessen (und sicherlich wurde im Gedicht des Boios diese Erwartung erfüllt), dass Oinoë zunächst ihre Undankbarkeit unter Beweis gestellt hätte und die Verwandlung als Strafe hierfür eingetreten wäre.

Ebenso bleibt der Leser im Unklaren darüber, weshalb das In-die-Länge-ziehen des Halses (τὸν αὐχένα μακρὸν εἵλκυσε) und der Umstand, dass die Metamorphose einen hochfliegenden Vogel (ὑψιπετῆ ὄρνιθα) hervorbringt, erwähnt werden. In der ursprünglichen Sagenerzählung dürfte der Zusammenhang mit dem überheblichen Charakter der Oinoë zur Darstellung gebracht worden sein. Man kann hier wohl eine Ätiologie rekonstruieren: Warum hat der Kranich einen langen Hals und fliegt in großer Höhe? - Weil er einst eine Frau war, die die Nase sehr hoch trug* und sich über alle anderen erhaben fühlte.

* den Hals emporrichten in diesem Sinn: ... ὁ δ᾽ ὑπὲρ τοὺς πολλοὺς [sc. πλοῦτος] τὸν αὐχένα ἵστησι ... (Philostr. Apoll. 7, 23)
Re: Antoninus Liberalis
Γραικίσκος schrieb am 16.05.2018 um 13:46 Uhr (Zitieren)
Selbst Du hast diesen Autor nicht gekannt. Ein Freund, der über Ovids Metamorphosen dissertiert hat, kannte ihn übrigens ebenfalls nicht. Da kann ich über Burckhardts Kenntnisse umso mehr staunen.
Sprachlich-ästhetisch kann Antoninus Liberalis sich mit Ovid natürlich nicht messen.
Für eine Kenntnis dessen, was in der Antike zum Thema Metamorphosen im Schwange war, erscheint er mir gleichwohl wichtig.
Da haben wir etwas gelernt, dank Burckhardt.
Re: Antoninus Liberalis
Φιλομαθής schrieb am 16.05.2018 um 22:05 Uhr (Zitieren)
Zitat von Γραικίσκος am 16.5.18, 13:46Für eine Kenntnis dessen, was in der Antike zum Thema Metamorphosen im Schwange war, erscheint er mir gleichwohl wichtig.

Da kann ich dir nur zustimmen. Wir wüssten z. B. gar nicht, was hinter dem Pygmaeae fatum miserabile matris in Ovids Metamorphosen (6, 90-92) steckt, besäßen wir nicht den Antoninus.
Re: Antoninus Liberalis
Βοηθὸς Ἑλληνικός schrieb am 18.05.2018 um 09:56 Uhr (Zitieren)
Mir war der Autor auch nicht bekannt. Man erfährt immer wieder etwas Neues.
Re: Antoninus Liberalis
Γραικίσκος schrieb am 18.05.2018 um 13:05 Uhr (Zitieren)
Die umfassenden Kenntnisse, die Burkchardt von der griechischen Kultur hatte, und das umfassende Bild, das er von ihr zeichnen konnte, das kommt nicht mehr in einem menschlichen Kopf zusammen.
 
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