Danke - von Debussy gibt es eine schöne Vertonung dreier Gedichte aus dem Zyklus:
https://www.youtube.com/watch?v=3VmOCAnhAS8
Nicht ohne rezeptionsgeschichtlichen Unterhaltungswert ist eine zeitgenössische Besprechung in den
Göttingischen gelehrten Anzeigen des Textes durch Wilamowitz-Moellendorff. Schon die Einleitung gibt das Programm aus:
"Ein Band französischer Gedichte mit teilweise widerlich unzüchtigem Inhalt mag für eine Besprechung an diesem Ort ungeeignet erscheinen: allein ich finde, daß er Beachtung verdient und ergreife die Gelegenheit, Dinge auszusprechen, die mir lange am Herzen liegen. Mit ist es um die Reinheit einer großen Frau zu thun, da scheue ich mich nicht, herzhaft in den Kot zu fassen."
Nachdem er en passant, Lob und Tadel noch einigermaßen gerecht verteilend, die vermeintliche Übersetzung als Fiktion entlarvt, einige erhellende Bemerkungen zur historischen Entwicklung der griechischen Dichtkunst zwischen, wie er das nennt, Hellenischem und Hellenistischem und dem Klassizismus, der sich in Louÿs' Stil offenbart, gemacht hat, verpasst er dessen nostalgischem Schielen nach einem verlorenen Paradies der ungehemmten Sinneslust endlich eine harsche Abfuhr, um sogleich Bilitis mit folgenden Worten als Widerpart Sapphos, um deren Reinheit es sich dreht, zu charakterisieren:
"Wer sein Leben daran setzt, die Hellenen wirklich verstehn zu lernen, dem wird ihre Cultur zu keiner Zeit ein Paradies sein, aber die Zeit, in der Bilitis lebte, wird er vermutlich als die entscheidende für die Cultur der Welt betrachten, weil die Hellenen damals von moralischen, politischen und intellectuellen Fragen bis in die Tiefen der Seele bewegt waren und neben dem freien Staate die freie Wissenschaft von der Natur und vom Menschen erzeugten: das höchste, was sie uns geschenkt haben.
Aber ich will mich hier nur an die Lyrik halten. Da sei zunächst constatirt, daß es psychologisch undenkbar ist, ein Weib wie diese Bilitis, die nur ein animalisches Leben führt, nur
le sexe ist, könne dichten, könne sagen, was sie fühlt. Sie könnte nicht, wenn sie wollte, aber sie würde gar nicht erst wollen. Es ist, als sollten Diderots
bijoux ohne ein Wunder reden: sie sind für P. L. allerdings die einzigen oder doch die größten Götter. Hätten die Hellenen ein Leben geführt, wie er ihnen zutraut, d. h. ihre Vernunft nur gebraucht um tierischer als jedes Tier zu sein, so wären ihre Lyriker so wenig aufgetreten wie ihre Propheten und Weisen."
https://archive.org/stream/GoettingischeGelehrteAnzeigen1896/Goettingische_gelehrte_Anzeigen_1896#page/n643/mode/2up