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Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Antigonos Gonatas über Herrschaft (593 Aufrufe)
Γραικύλος schrieb am 23.07.2024 um 14:38 Uhr (Zitieren)
Aelian, Varia Historia II 20:

Antigonos II. Gonatas aus der Diadochendynastie der Antigoniden, Sohn des Demetrios Poliorketes, regierte von 276 bis 239 v.u.Z. Sein Sohn und Nachfolger war Demetrios II. Aitolikos (239-229).
They say that king Antigonus was popular and lenient. Anyone who has leisure to learn about him and investigate all the details for himself will get information from other sources. But what I am about to report of him will serve as proof of his very mild and unpretentious character. This Antigonus saw his son treating their subjects in rather violent and overbearing fashion. “Don’t you know, my boy,” he said, “that our monarchy is a glorious form of servitude [οὐκ οἶσθα, εἶπεν, ὦ παῖ, τὴν βασιλείαν ἡμῶν ἔνδοξον εἶναι δουλείαν]?” Antigonus’ remark to his son is very mild and humane [φιλανθρώπως]. A person who thinks otherwise seems to me not to know what makes a king or a politician, but to have lived instead under tyranny.

Re: Antigonos Gonatas über Herrschaft
Γραικύλος schrieb am 23.07.2024 um 22:15 Uhr (Zitieren)
Das klingt doch nach Friedrichs II. von Preußen Motto, er sei der erste Diener seines Staates.
Re: Antigonos Gonatas über Herrschaft
filix schrieb am 24.07.2024 um 00:38 Uhr (Zitieren)
Friedrichs moderne Staatsidee fehlt allerdings völlig, dieses immer mehr Lebensbereiche durchdringende, sie durch Recht und Verwaltung gestaltende Über-Ich-Ideal, dem sich als Workaholic zu unterwerfen zur Herrschertugend wird. Hier geht es doch allenfalls um Mäßigung angesichts der Eskapaden des Sohnes - könnte es nicht überhaupt bedeuten, dass »unsere <Art der> Herrschaftsausübung <gleichbedeutend mit> reputabler Knechtschaft ist, wir also unsere Untertanen nicht mutwillig traktieren, nicht ihre Diener sind? Daher auch am Ende die Gegenüberstellung zur Tyrannei.
Re: Antigonos Gonatas über Herrschaft
Γραικύλος schrieb am 24.07.2024 um 02:09 Uhr (Zitieren)
1. Friedrichs Äußerung ist ja das Motto des aufgeklärten Absolutismus, und auch wenn der Absolutismus des 17./18. Jhdts. sich auf eine andere Art Staat bezog als den der Diadochen und Epigonen, scheint mir die Absage an eine uneingeschränkte und jede Art von Mißbrauch ermöglichende Macht doch verwandt zu sein.

2. Den Übermut des Sohnes hätte Antigonos auch auf andere Art zügeln können; er tut es aber durch den Verweis auf eine besondere Vorstellung von Herrschaft: als Dienst, als Knechtschaft.

3. Vgl. die Äußerung des Vaters von Antigonos, Demetrios Poliorketes, in der Vita des Plutarch (42).
Re: Antigonos Gonatas über Herrschaft
Γραικύλος schrieb am 24.07.2024 um 02:17 Uhr (Zitieren)
Dort sagt eine alte Frau dem Demetrios: "Wenn du keine Zeit für deine Untertanen hast, dann höre auf, König zu sein!", woraufhin sich dieser beschämt ihrem Anliegen widmet.

(Die enge Beziehung des Antigonos II. zu seinem Vater ist ja bekannt.)
Re: Antigonos Gonatas über Herrschaft
filix schrieb am 24.07.2024 um 12:22 Uhr (Zitieren)
Es fällt mir schwer, diese so viel mehr als die Willkürbegrenzung umfassende Selbstdeutung der Beziehung zu diesem neuen Absolutum, dem Staat, als Herr-Knecht-Verhältnis, seine zum inneren Antrieb des Herrschers mutierte Dienstpflichtlogik ("Aufrechterhalten der Gesetze, unbestechliche Pflege der Gerechtigkeit, kraftvollster Widerstand gegen die Sittenverderbnis, Verteidigen des Staates gegen seine Feinde") unmittelbar mit der antiken Anekdote zu verknüpfen, die sanft mahnend die nicht näher definierten Exzesse des Sohnemanns abmildern soll.

Das ist doch mehr eine Art Gebarensideal der Herrschaftsausübung, das als ruhmreich, angesehen, reputabel charakterisiert wird, um es gegen die entehrende schmutzige Wirklichkeit des Dienens abzuheben, nicht, um gerade diese dienende Unterwerfung zur Quelle des Selbstverständnisses zu machen. Das ist meines Erachtens nicht die Entsprechung des Ordinales beim alten Fritz.

Der Ruf der Pflicht, wenn man so will, kommt in der Erzählung von der alten Frau in Plutarch, die zudem von lauter konterkarierenden Schilderungen umgeben ist, denn auch nicht aus einem internalisierten Staatsideal, sondern als ganz konkretes Anliegen eines Individuums daher, um das man sich (ein paar Tage wenigstens) kümmern sollte, um der angesehenen Rolle des Rechtssprechers nachzukommen.
Re: Antigonos Gonatas über Herrschaft
Γραικύλος schrieb am 24.07.2024 um 14:02 Uhr (Zitieren)
Du liest bzw. verstehst den Satz anders als ich.
Du liest: "that our monarchy is a glorious form of servitude."
Ich lese: "that our monarchy is a glorious form of servitude." Und zwar lese ich ihn so, weil "servitude", nicht "glorious" der überraschende Begriff in diesem Satz ist und entsprechend an exponierter Stelle steht.
Re: Antigonos Gonatas über Herrschaft
Γραικύλος schrieb am 24.07.2024 um 14:04 Uhr (Zitieren)
Daß Demetrios in seinem Gesamtverhalten nicht von diesem Staatsideal ausgegangen ist, stimmt; aber die Anekdote - soweit historisch - zeigt, daß ein Gefühl für die Pflichten des Herrschers in ihm, wie rudimentär auch immer, angelegt war.
Re: Antigonos Gonatas über Herrschaft
filix schrieb am 24.07.2024 um 15:31 Uhr (Zitieren)
Dass auch ein antiker Herrscher Verpflichtungen hat und diesen in einer Weise nachzukommen, die ihm Ehre einträgt, wichtig ist, will ich nicht bestreiten, aber dies scheint mir nach wie vor etwas deutlich anderes zu sein als eine zum generellen Selbstverständnis des Herrschers gemachte Unterwerfung unter das Absolutum des (neuzeitlichen) Staates.

Friedrich setzt das Ordinale auch hinzu um Grad und Umfang dieses disziplinierten, sich als Person nicht schonenden auf allen Gebieten der Staatskunst unermüdlich tätigen Dienens zu betonen, während die Mahnung des Antigonos' an den Sohn ohne so einen monströsen Genitivus obiectivus auskommt, ihm zur Abgrenzung von der schmutzigen Wirklichkeit des Dienens noch das Adjektiv hinzusetzt, das er doch weglassen könnte, läge in der δουλεία schon alles, worauf es hier ankommt.

Was den guten Demetrios anlangt, der sonst protzt und prunkt, grob ist im Umgang mit Untergebenen, ihre Bittschreiben einsammelt und in den Fluss wirft, in der Diplomatie den Elefanten gibt, dem vorgeworfen wird, Würde und Majestät eines Alexanders wie ein Schauspieler nachzuäffen, der machtpolitisch motivierte Angriffskriege führt, die vorwiegend Scherben hinterlassen, ein ewiger Abenteurer, der im Suff endet, um sich die Reflexion über sein Lebenswerk zu ersparen, nein, dem nehme ich nicht ab, dass er, brüskiert von einer wehrlosen alten Frau in eigener Sache, eine so tiefgreifend das Herrschaftsverständnis bestimmende Pflichtethik aus dem Geist des Dienens in sich entdeckt wie rudimentär immer.
Re: Antigonos Gonatas über Herrschaft
Γραικύλος schrieb am 24.07.2024 um 15:51 Uhr (Zitieren)
Dabei sehe ich in dem "erster" eine gute Entsprechung zu "glorious", verstehe aber, daß Du das anders verstehst: "um Grad und Umfang dieses disziplinierten, sich als Person nicht schonenden auf allen Gebieten der Staatskunst unermüdlich tätigen Dienens zu betonen".

Der Demetrios war, gelinde gesagt, vielschichtig, und Du beichtest vor allem seine Sünden. Nach der Quellenlage nehme ich an, daß Antigonos II. seinen Vater anders gesehen hat.
Immerhin hat er die Frau dann angehört, während ich mir Herrscher vorstellen kann, die sie wegen Majestätsbeleidigung einen Kopf kürzer gemacht hätten.

Kann es sein, daß sich Antigonos einem stoischen Herrscherideal verpflichtet fühlte? Ich meine mich an vergleichbare Äußerungen bei Tiberius und Marc Aurel zu erinnern.
Re: Antigonos Gonatas über Herrschaft
Bukolos schrieb am 24.07.2024 um 16:29 Uhr (Zitieren)
Zitat von Γραικύλος am 24.7.24, 15:51Dabei sehe ich in dem "erster" eine gute Entsprechung zu "glorious"

Soll ἔνδοξος die δουλεία hier nicht einfach kennzeichnen als eine, die nicht (wie üblich) mit dem Verlust der δόξα verbunden ist? Der fritzische premier domestique entwirft (anders als die antike δουλεία) dagegen doch eher das Bild eines hierarchisch strukturierten Hofes als ökonomischer Einheit.
Re: Antigonos Gonatas über Herrschaft
filix schrieb am 24.07.2024 um 16:44 Uhr (Zitieren)
M.a.W. der Diener ist bei Friedrich schon ein höfischer Prestigejob des 18. Jahrhunderts, den man gar nicht mehr mit Ehrlosigkeit und Erniedrigung assoziiert?
Re: Antigonos Gonatas über Herrschaft
Bukolos schrieb am 24.07.2024 um 17:08 Uhr (Zitieren)
Das wohl nicht. Mir erschien einfach die Gleichsetzung von ἔνδοξος und premier problematisch: Ersteres entwirft einen Gegensatz zwischen eigentlicher und sinnbildlicher δουλεία. Letzteres nimmt bloß die Hierarchie innerhalb einer Domestikenschaft in den Blick.
Re: Antigonos Gonatas über Herrschaft
Bukolos schrieb am 25.07.2024 um 19:38 Uhr (Zitieren)
Zitat von Γραικύλος am 24.7.24, 15:51Kann es sein, daß sich Antigonos einem stoischen Herrscherideal verpflichtet fühlte? Ich meine mich an vergleichbare Äußerungen bei Tiberius und Marc Aurel zu erinnern.


Bei Mark Aurel sicherlich nicht. Bei ihm wird mit δουλεία (und verwandten Lexemen) durchweg die Abwesenheit des stoischen Ideals von ἐλευθερία, sprich: ein keineswegs erstrebenswerter Zustand bezeichnet. Alexander Demandt, der ganz ähnlich wie hier das Demetrios-Apophthegma mit Friedrichs Formel kurzschließt, gibt zwar mit Hinweis auf dessen Mark-Aurel-Lektüre an, dass der Gedanke der stoischen Philosophie entstamme, bleibt aber eine Quelle schuldig.*

* Demandt, Friedrich und die historische Größe (Vortrag 2011), abgedruckt in: ders., Magistra vitae, Wien/Köln/Weimar 2020, S. 107.
Re: Antigonos Gonatas über Herrschaft
Bukolos schrieb am 25.07.2024 um 20:19 Uhr (Zitieren)
von ἐλευθερία -> der ἐλευθερία
Re: Antigonos Gonatas über Herrschaft
Γραικύλος schrieb am 25.07.2024 um 22:26 Uhr (Zitieren)
Meinst Du wirklich den Demetrios-Ausspruch, der hier ja nur eine Randrolle spielt, oder den von Antigonos?
Re: Antigonos Gonatas über Herrschaft
Bukolos schrieb am 25.07.2024 um 23:15 Uhr (Zitieren)
Berechtigter Einwand: Gemeint war in der Tat Antigonos.
Re: Antigonos Gonatas über Herrschaft
Γραικύλος schrieb am 26.07.2024 um 00:04 Uhr (Zitieren)
Was den Tiberius und sein Ethos des Dienens angeht, so meine ich Stellen wie diese:
Dixi et nunc et saepe, p.c., bonum et salutarem principem, quem vos tanta et tam libera potestate instruxistis, senatui servire debere et universis civibus saepe et plerumque etiam singulis; neque id dixisse me paenitet, et bonos et aequos et faventes vos habui dominos et adhuc habeo.

Ich habe heute und häufig auch bei anderen Gelegenheiten gesagt, verehrte Senatoren, daß ein guter und heilbringender Kaiser, den ihr mit so gewaltigen und weitreichenden Vollmachten ausgestattet habt, dem Senat dienen müsse, oft auch den Bürgern in ihrer Gesamtheit und in einer großen Anzahl von Fällen sogar einzelnen Bürgern. Und ich bereue keineswegs, daß ich das gesagt habe, und in euch habe ich gute und gerechte und wohlwollende Herren gehabt und habe es noch.

(Sueton: Tiberius 29)

servire!

Zu Marc Aurel müßte ich noch nachschauen. Ich verstehe den Einwand, möchte mich aber in einem weiteren Sinne nicht auf den Begriff "Knechtschaft" beschränken; vielmehr geht es mir um die Idee des Dienens für den Staat.
Re: Antigonos Gonatas über Herrschaft
Bukolos schrieb am 26.07.2024 um 12:42 Uhr (Zitieren)
Zitat von Γραικύλος am 26.7.24, 0:04Was den Tiberius und sein Ethos des Dienens angeht, so meine ich Stellen wie diese

In Bezug auf Tiberius habe ich auch durchaus nicht widersprochen. Man müsste allerdings schon noch einmal überprüfen, inwieweit sich bei dem unter Einfluss des platonischen Astrologen Thrasyllos stehenden Kaiser auch eine Nähe zur Stoa nachweisen lässt, will man seine (zunächst einmal wie eine Unterwerfungsgeste dem Senat gegenüber wirkende) Äußerung auch als ein der stoischen Philosophie verpflichtetes Rollenverständnis interpretieren.
Re: Antigonos Gonatas über Herrschaft
Γραικύλος schrieb am 26.07.2024 um 14:26 Uhr (Zitieren)
Nein, nicht den Thrasyllos hatte ich im Sinn, sondern den Poseidonios.

Hierzu schreibt Ernst Kornemann:
Tiberius war mit der griechischen Sprache und Literatur, besonders mit der griechischen Philosophie vertraut; daher wohl die Wahl von Rhodos [sc. als Exilort], das seit langem einen großen Ruhm als Hochsitz der Wissenschaft und als Lehrstätte, allein schon durch Poseidonios' langjähriges Wirken, in aller Welt genoß.

(Tiberius. Stuttgart 1960, S. 35)

Nun müßte man nachschauen, was die Berichte über den Aufenthalt des Tiberius auf Rhodos besagen und ob sich bei Poseidonios etwas über die Aufgaben bzw. Tugenden des Herrschers findet.

Ich weiß nicht, ob dabei etwas herauskommt.
Re: Antigonos Gonatas über Herrschaft
Γραικύλος schrieb am 26.07.2024 um 14:28 Uhr (Zitieren)
Die Frage ist: Warum hat Tiberius sich gerade für Rhodos als Exilort entschieden, und was hat er dort gelernt?
Re: Antigonos Gonatas über Herrschaft
filix schrieb am 26.07.2024 um 20:10 Uhr (Zitieren)
Wie ist das heute eigentlich? Die um die Gunst des Elektorats buhlende Rhetorik des Dienens in der okzidentalen Sphäre des Politischen erfreut sich ja nach wie vor größter Beliebtheit, nur dass niemand, der bei Trost ist, darauf käme, zu sagen, er diene mit größtem Einsatz dem Staat, dem Volk, dem Land, den Wählern, den Menschen - ja, aber nicht dem Leviathan, wenn wir mal Festreden von Funktionsträgern und Staatsdienern unter sich ausnehmen, oder?
Re: Antigonos Gonatas über Herrschaft
filix schrieb am 26.07.2024 um 20:25 Uhr (Zitieren)
Nebenbei, können wir in den Paradoxiethread aufnehmen, dass Gesellschaften, zu deren Selbstverständnis wesentlich die Abschaffung erniedrigender und entehrender Unterwerfungsverhältnisse zählt, an der Spitze ihrer Ordnung Personen sehen will, die erklären, sie verstünden sich als deren eifrigste Diener?
Re: Antigonos Gonatas über Herrschaft
Bukolos schrieb am 26.07.2024 um 21:41 Uhr (Zitieren)
Zitat von Γραικύλος am 26.7.24, 14:26Nein, nicht den Thrasyllos hatte ich im Sinn, sondern den Poseidonios.

Nun ist Poseidonios ja schon einige Jahrzehnte tot, als Tiberius auf Rhodos ins Exil geht. Dass er dort überhaupt Philosophie gehört hat, lässt sich, soweit ich sehe, den Quellen nicht eindeutig entnehmen, noch weniger, dass er einem Stoiker begegnet sei. Der einzige, der in Zusammenhang mit Tiberius' Bildungseifer einen Namen nennt, ist Quintilian (Inst. 3, 1, 17): Allerdings ist das mit Theodoros von Gadara der eines Rhetoriklehrers.

17 Praecipue tamen in se conuerterunt studia Apollodorus Pergamenus, qui praeceptor Apolloniae Caesaris Augusti fuit, et Theodorus Gadareus, qui se dici maluit Rhodium: quem studiose audisse cum in eam insulam secessisset dicitur Tiberius Caesar. 18 Hi diuersas opiniones tradiderunt appellatique inde Apollodorei ac Theodorei ad morem certas in philosophia sectas sequendi.

17 Jedoch vor allem wirkten anregend einmal Apollodorus von Pergamon, der in Apollonia der Lehrer des Caesar Augustus war, und andererseits Theodorus von Gadara, der sich lieber den Rhodier nennen ließ. Ihn soll Tiberius Caesar, als er sich auf die Insel Rhodos zurückgezogen hatte, eifrig gehört haben. 18 Diese vertraten verschiedene Schulmeinungen, und so spricht man von Apollodoreern und Theodoreern so wie bei den Anhängern der verschiedenen Philosophenschulen. (Übers. H. Rahn)

Auf welchem Feld sich nun die Auseinandersetzungen bewegten, in die Tiberius nach Darstellung Suetons (Tib. 11, 3) verwickelt wurde, ob es sich bei den Kontrahenten um Vertreter der von Quintilian erwähnten Rhetorenschulen handelt oder doch eher um Philosophen, lässt sich kaum entscheiden.

cum circa scholas et auditoria professorum assiduus esset, moto inter antisophistas graviore iurgio, non defuit qui eum intervenientem et quasi studiosiorem partis alterius convicio incesseret. sensim itaque regressus domum repente cum apparitoribus prodiit citatumque pro tribunali voce praeconis conviciatorem rapi iussit in carcerem.

Weil er ständig in der Nähe der Schulen und Hörsäle der Professoren zu sehen war, da gab es natürlich, als unter den Gegensophisten ein recht schwerer Streit entbrannte, jemanden, der mit spottender Schelte auf ihn losging, als er schlichten wollte und sich wohl etwas zu eifrig für die andere Partei bemühte. Deshalb ging er mit Weile nach Hause, trat plötzlich mit seinen Amtsdienern wieder heraus, ließ denjenigen, der über ihn gelästert hatte, durch den Herold vor Gericht laden, ihn ergreifen und ins Gefängnis werfen.
Re: Antigonos Gonatas über Herrschaft
Γραικύλος schrieb am 26.07.2024 um 23:12 Uhr (Zitieren)
Ja, Poseidonios war da bereits tot; aber ich nahm an, daß man seine Gedanken dort noch lehrte.

Ob die Idee des Herrschers als Diener bei Tiberius etwas mit der Philosophie zu tun hat, werden wir also nicht herausfinden, und bei Antigonos erst recht nicht.
Re: Antigonos Gonatas über Herrschaft
Γραικύλος schrieb am 27.07.2024 um 00:15 Uhr (Zitieren)
Bei Marc Aurel finde ich den Begriff des Dienens in der Tat nicht - nur:
"Ἐγὼ τὸ ἐμαυτοῦ καθῆκον ποιῶ, τὰ ἄλλα με οὐ περισπᾷ. - Ich aber tue meine Pflicht; alles andere geht mich nichts an."
(VI 22)

"τὸ πρέπον" schreibt er häufiger, was dann ebenfalls mit "Pflicht" übersetzt wird.
Re: Antigonos Gonatas über Herrschaft
Γραικύλος schrieb am 27.07.2024 um 00:20 Uhr (Zitieren)
Schön und originell ist auch:
"Ὅρα, μὴ ἀποκαισαριανωθῇς, μὴ βαφῇς. - Hüte dich, daß du nicht verkaiserst oder angesteckt wirst."
(VI 30)
Re: Antigonos Gonatas über Herrschaft
filix schrieb am 27.07.2024 um 23:56 Uhr (Zitieren)
μὴ βαφῇς - heißt das nicht eher dass du nicht gefärbt wirst oder freier es (das Amt) auf dich abfärbt?
Re: Antigonos Gonatas über Herrschaft
Γραικύλος schrieb am 28.07.2024 um 00:12 Uhr (Zitieren)
"nicht abfärbt", so übersetzt in der Tat Willy Theiler. Das "angesteckt" habe ich von Wilhelm Capelle.
Re: Antigonos Gonatas über Herrschaft
Γραικύλος schrieb am 28.07.2024 um 00:15 Uhr (Zitieren)
Re: Antigonos Gonatas über Herrschaft
filix schrieb am 28.07.2024 um 00:28 Uhr (Zitieren)
Es ist ja nicht sinnentstellend, aber woher hat Theiler die Infektionssemantik? Aus den Hauptbedeutungen eintauchen und färben ergibt sich die für mich nicht so leicht.
Re: Antigonos Gonatas über Herrschaft
filix schrieb am 28.07.2024 um 00:36 Uhr (Zitieren)
Capelle, nicht Theiler.
Re: Antigonos Gonatas über Herrschaft
Γραικύλος schrieb am 28.07.2024 um 14:02 Uhr (Zitieren)
Unter βάπτω finde auch ich keine Bedeutung, die Capelles Wahl erklären könnte.
 
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